„Im Moment lebe ich in zwei Welten“

Zwei grüne Parteitage, zwei Rollen für Wolfgang Wieland: Der Berliner Abgeordnete und Brandenburger Spitzenkandidat findet das „reizvoll“

INTERVIEW STEFAN ALBERTI

taz: Herr Wieland, Brandenburgs Grüne tagen Samstag in Neuruppin, ihre Berliner Kollegen 75 Kilometer entfernt in Mitte. Machen Sie uns den rasenden Wolfgang?

Wolfgang Wieland: Nein, ich nehme als Brandenburger in spe nur in Neuruppin teil und werde auch eine Rede bei einer Kundgebung zum Bombodrom halten. Zu pendeln macht wenig Sinn.

Zum offiziellen Spitzenkandidaten sollen Sie am 24. April werden. Warum wird Samstag nur das Wahlprogramm diskutiert und nicht auch gewählt?

Das haben die Brandenburger Parteifreunde absichtlich so festgelegt. Es ist bei uns auch gute Tradition, dass unsere Kandidaten wissen sollen, für welches Programm sie antreten. Sehr bezeichnend finde ich, dass Berliner und Brandenburger Grüne am Samstag ähnliche Themen haben – obwohl es reiner Zufall ist, dass die Delegiertenkonferenzen parallel stattfinden. Da wusste keiner vom anderen.

Beide Landesverbände haben doch angekündigt, enger zusammenzuarbeiten.

Wie Sie sehen, lässt sich alles noch verbessern. Das ändert nichts an den inhaltlichen Gemeinsamkeiten: Hauptthema bei der Berliner Delegiertenkonferenz ist der Status der Stadt nach einer Fusion. Die Brandenburger werden am gleichen Tag den Wunsch bekräftigen, mit Berlin zusammenzugehen.

Wie viel vom Wahlprogramm kommt von Ihnen?

Formal nichts – ich bin ja noch Mitglied im Berliner Landesverband und deshalb in Brandenburg nicht antragsberechtigt. Meinen Wohnsitz kann ich erst verlegen, wenn ich wirklich nominiert bin. Zum einen, um nicht so sehr vollendete Tatsachen zu schaffen, dass es Unwillen bei der Brandenburger Basis erregt. Zum anderen, weil mit meiner Wohnsitzverlegung das Ausscheiden hier aus dem Abgeordnetenhaus verbunden ist. Diesen Schritt kann ich erst tun, wenn ich Spitzenkandidat bin.

Ist doch eine schizophrene Situation: Samstag in Neuruppin zu gentechnikfreien Zonen, Montag im Berliner Innenausschuss, wo es um Sicherheit in S- und U-Bahnen geht.

Im Moment lebe ich tatsächlich in zwei Welten. Ich habe hier meine kleinen Erfolge – dass Rot-Rot auf unseren Antrag die Schleierfahndung abgeschafft und die Rasterfahndung eingrenzt hat – und diskutiere abends in Fürstenwalde mit Jörg Schönbohm (CDU-Innenminister, d. Red.)

den Sie nun endlich als Gegenpart wieder haben.

… über Grenzkontrollen nach der EU-Osterweiterung. Ich muss mich hier mit den Altaffären Tempodrom und Bankgesellschaft in einer Intensität beschäftigen, die ich noch zu Jahresanfang so nicht geahnt habe. Gleichzeitig pirsche ich den Brandenburger Trennungsgeldjägern und Exministern mit ihren stolzen Bezügen hinterher. Das ist doppelte Realität und durchaus reizvoll. Es wäre aber insgesamt besser, ich könnte schneller ganz auf Brandenburg umschalten. Aber die Termine sind, wie sie sind.

Wieso wechseln Sie dann nicht sofort, wenn Sie am 24. April endlich gewählt sind?

Geplantes Ausscheiden ist jetzt Ende Mai. Das hängt mit innenpolitischen Themen wie dem 1. Mai zusammen, aber auch damit, dass hier ein geordnetes Nachrücken nötig ist. Ich kann keine verbrannte Erde in der Fraktion hinterlassen. Die hat es schon schwer, auch wenn weder Michael Cramer (langjähriger Verkehrsexperte, der voraussichtlich im Juni ins Europaparlament wechselt, d. Red.) noch ich uns für unverzichtbar halten. Die Fraktion wird ein anderes Profil bekommen, weil eine Sozial- und eine Jugendpolitikerin nachrücken und es dann eine Fraktion mit zehn Frauen und vier Männern gibt. Diesen Übergang muss man gestalten, und deshalb gibt es als Kompromiss Ende Mai.

Werden Sie eine Wohnung in Berlin halten?

Ich nicht. Meine Frau wird hier bleiben, weil sie sagt: Für deine politischen Irrfahrten, von denen ja noch niemand weiß, ob sie in den Hafen Landtag führen werden, gebe ich nicht meine Wohnung auf. Wenn wir dann den Einzug in den Landtag geschafft haben, klären wir diese Frage in aller Ruhe neu.

Als Sie vor gut eineinviertel Jahren den Fraktionsvorsitz abgaben, sagten Sie, Ihr Feuer sei ausgebrannt. Wer Sie nun als Kandidat hört, erlebt Sie glühend. Haben Sie sich getäuscht?

Nein, das haben Sie falsch interpretiert. Da ging es allein darum, dass als Fraktionschef die Zeit für einen Rückzug reif war. Ich habe aber auch immer gesagt: Das ist kein Abschied aus der Politik, ich kann und werde in ganz anderen Positionen arbeiten. Dann kamen im Laufe des Jahres verstärkt die Anfragen aus Brandenburg, die ich zunächst glatt abgelehnt habe.

Die Brandenburger sagen, dass sie seit Ende 2001 immer wieder nachgefragt haben. Uns haben Sie Anfang 2003 gesagt, Sie hätten keine Angebote.

Ja, weil ich das karrieremäßig verstanden habe. Ein Angebot im Sinne einer Bundes- oder Staatsfunktion gab es nicht. Aus dem Abgeordnetenhaus in den Landtag nach Brandenburg zu wechseln ist bei aller Sympathie kein Karrieresprung. Und der Wechsel von Berlin in die märkische Provinz ist es auch nicht.

Wieso haben Sie das Angebot dann doch angenommen?

Ich habe mich hier, als ich nicht mehr Fraktionsvorsitzender war, mehr gelangweilt, als ich es mir vorstellen konnte.

Kann ein Wolfgang Wieland nicht in der zweiten Reihe?

Doch, er kann sehr gut, das konnte er auch in den Jahren 98/99. Seinerzeit aber haben ihn parlamentarische Tätigkeiten wie der Untersuchungsausschuss Israelisches Generalkonsulat ausgefüllt. Letztes Jahr war das nicht der Fall. Ich kam mir unterfordert vor. Von daher fiel dann die Anfrage der Brandenburger im Sommer 2003 bei mir auf fruchtbaren Boden. Denn die Vorstellung, hier noch zwei, drei Jahre unausgelastet Parlamentarier zu sein, gefiel mir nicht.

Das klingt, als hätten Sie nur noch abgehangen.

Nein, ich habe immer gesagt, auch der einfache Parlamentarier macht hier sein Pensum. Aber wenn man so lange in Führungsverantwortung war wie ich, ist man gewohnt, mehr zu bewirken und Weichen zu stellen. Das war als einfacher Abgeordneter anders. Dann immer zu hören, um mich sei es ja so ruhig geworden, das hing mir irgendwann zum Hals raus. Es sollte ja ruhiger werden um mich, aber als Vorwurf wollte ich es auch nicht hören – bis hin zu einer Fraktionskollegin, die sagte: Was machst du eigentlich? Das empfand ich als etwas unbotmäßig.