ROBIN ALEXANDER aus Südafrika über WHITE
: Salz auf unserem Fleisch

Grillen und Biertrinken kenne ich schon. Dachte ich, bevor ich nach Südafrika kam. Und cheers!

Austauschschüler: Unser Kolumnist arbeitet für 2 Monate als Reporter bei „The Star – in Johannesburg, Südafrika. Au Backe!

Neulich berichtete ich an dieser Stelle über die Anmietung eines Wracks. Damit fahre ich jetzt zur Arbeit. Bleibt die Frage: Wie komme ich zurück? So erbärmlich ist der Zustand der Karre gar nicht – das Problem liegt beim Fahrer: Ich bin kein guter Autofahrer, wenn ich betrunken bin.

Um Missverständnissen vorzubeugen: In der Redaktion des Star ist Alkohol tabu. Das ist allerdings auch so ziemlich der einzige Ort in Johannesburg, wo das so ist. Wie immer ist die Sprache eine verlässliche Warnerin: Verabschieden sich Briten, sagen sie „good-bye“ und US-Amerikaner sagen „take care“. Südafrikaner sagen „cheers“, wenn sie Tschüss meinen. Cheers heißt Prost.

Vor einer Woche feierten wir einen kleinen Scoop: Der stellvertretende Ressortleiter, Khenosi Modisane, lädt also die beiden beteiligten Reporter und den Fotografen zum Essen ein. Heißt: Er fährt uns in eine Schlachterei nach Soweto, kauft einen großen Beutel (eher schon: einen kleinen Sack) voll Fleisch und verstreut dieses auf einem riesigen öffentlichen Grill neben der Schlachterei. Wie’s geschmeckt hat? So neben der viel befahrenen Straße? Im Stehen? Neben wildfremden Menschen? Mit den Händen? Steaks, Koteletts, Würstchen? Bevor ich nach Afrika kam, wusste ich gar nicht, was Fleisch ist. Allerdings wusste ich vorher auch noch nicht, was Salz ist. „Für mich muss das gebratene Steak nicht noch zusätzlich eingepökelt werden“, will ich scherzhaft ablehnen. Da mir die Vokabel „einpökeln“ aber im Englischunterricht unverantwortlicherweise vorenthalten wurde, bekomme ich ein wirklich mit Liebe gesalzenes Stück Tier. Es schmeckt fantastisch. Und es macht wirklich durstig.

Macht nichts: Die Getränke warten gleich um die Ecke. In Johannesburg gibt es, ähnlich wie bei uns, feine Kneipen, normale Kneipen, Eckkneipen und Prollkneipen. Und es gibt hier noch Sheebeen. Die sehen gar nicht wie Kneipen aus. Khenosi fährt mit dem Wagen vor ein scheinbar ganz normales Haus, in dem eine Familie lebt, und hupt. Eine Frau guckt raus, öffnet die typischen Eisengitter vor der Tür und lässt uns in ihr Wohnzimmer. Sofagarnitur, Fernseher – und – ein großer Kühlschrank, in dem Bier in Literflaschen steht. Jeder trinkt nur drei, denn „der Tag ist noch jung“. Khenosi muss seine Kinder abholen, Boxer will ins Gym, und ich werde in der Redaktion abgesetzt – da steht mein Wagen.

Am Freitag, längst habe ich eine Taxinummer im Handy gespeichert, sind wir nicht im Sheebeen, sondern im vornehmsten Hotel am Platze. Die Ministerin für Polizei gibt ihren monatlichen Empfang für alle Polizeireporter Johannesburgs. Unser Mann hat freundlicherweise noch einen Kollegen und den deutschen Austauschreporter und einen Verwandten mitgenommen: Es gibt ein Büfett.

An unserem Tisch führt ein erfahrener Journalist einer linksliberalen Wochenzeitung das Wort. Kaum ist die fröhliche Ansprache der Ministerin zu Ende, sagt er: „Let’s drink taxpayer’s money to death“ (zu Deutsch etwa: Prost, alles ist bezahlt). Als die Ministerin sich verabschiedet, sagt sie irgendwie hoffnungslos in die Runde: „Vergesst nicht, Freunde, ich bin die Einzige hier, die einen Fahrer hat.“

Jonathan, ein besonnener Kollege, ist eine Art Experte für die Fahr- und Trinkgewohnheiten seiner Landsleute. Er hat einmal einen Aufsehen erregenden Artikel veröffentlicht, in dem er nachwies, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, in Johannesburg an einem Autounfall zu sterben als Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Jonathan warnt: „Jeder fährt besoffen – eine echte Katastrophe.“

Als Jonathan Anfang des Jahres einen mittelschweren Unfall hatte, war er selbst angetrunken, gesteht er peinlich berührt. Der Fahrer, der ihn gerammt hatte, allerdings auch. Nach dem Eintreffen der Polizei, verzichteten alle Anwesenden einvernehmlich auf einen Alkoholtest. Die Cops hatten glücklicherweise auch einen gehoben.

„Eingepökelt“ in English or Zulu? kolumne@taz.de