Richter beklagt schwache Beweislage

Streit um Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft geht weiter. Vorwürfe der Prügelstrafen zu wenig belegt

BERLIN taz ■ Man kennt sie von Straßenecken, wo sie die Zeitschrift Wachtturm anbieten: die Zeugen Jehovas. Schon seit 14 Jahren streitet die Glaubensgemeinschaft mit dem Land Berlin vor Gericht darum, als Körperschaft öffentlichen Rechts (KdöR) anerkannt zu werden. Gestern sollte eigentlich der letzte Tag des Verfahrens sein, aber es stellte sich heraus, dass der Streit wohl noch länger dauern wird. Sehr wahrscheinlich wird das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) erst 2005 entscheiden, ob die Religionsgemeinschaft „rechtstreu“ genug ist, um diesen Status zu erlangen.

Die Anerkennung als Körperschaft hätte große Vorteile: Dann könnten die Zeugen Jehovas Seelsorger in Krankenhäuser schicken und hätten planungsrechtliche Vorteile beim Bau ihrer „Königreichsäle“. Um die Anerkennung als Körperschaft zu erlangen, hatte das Bundesverwaltungsgericht 1997 zusätzlich verlangt, dass die Zeugen Jehovas auch die Demokratie achten. Das täten sie nicht, so das Gericht damals, weil sie Bundestags- und Kommunalwahlen für sich ablehnen und daran auch nicht teilnehmen.

Dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts hatte das Bundesverfassungsgericht widersprochen. Der Staat dürfe von einer Religionsgemeinschaft keine „Loyalität“ fordern. Das Verfahren wurde wieder an die Verwaltungsgerichte zurückverwiesen und ist so wieder vor dem OVG gelandet. Das OVG muss nun die „Rechtstreue“ klären und dabei herausfinden, ob die Zeugen Jehovas die Rechte ihrer Kinder auf körperliche Unversehrtheit verletzen, wenn sie „Zucht und Rute“ predigen und praktizieren, oder ob sie nicht, so ein OVG-Richter, nur „genauso cholerisch“ sind wie Eltern aus anderen Religionsgemeinschaften.

Zu prüfen sei auch, ob der bei den Zeugen Jehova spraktizierte Ausstoß eines Abtrünnigen aus der „geistigen Gemeinschaft“ totale Isolation bedeute und damit den grundrechtlichen Schutz der Familie beeinträchtige oder nur getrenntes Beten zur Folge habe, so der Richter. Er gab dem Land Berlin und seiner schwachen Beweisführung die Schuld daran, dass die Antworten nicht aus den sieben Akten hervorgehen. Wenn Kinder der Zeugen Jehovas während der Gottesdienste in den Königreichsälen misshandelt würden, sobald sie nicht still sitzen, so der Richter, „wo bleiben dann die Strafermittlungsakten?“ MAREKE ADEN