Feldversuche mit Nebenwirkungen

Bauern und Umweltschützer protestieren in Osnabrück für eine gentechnikfreie Landwirtschaft. Zeitgleich streitet die Konferenz der Agrarminister bereits darüber, wie der Einsatz manipulierten Saatguts praktisch umgesetzt werden soll

Gensaat auf dem Nachbarfeld gefährdet auch konventionelle Landwirte

aus OsnabrückKris Kupka

„Gentechnik, mach Dich vom Acker!“ Die Wut von LandwirtInnen, Verbrauchern und Umweltschützern war groß auf einer Demonstration am Mittwoch in Osnabrück. Geführt von 30 Traktoren trugen 200 TeilnehmerInnen Slogans wie „Gentechnik völlig ungenial“ oder „Lasst den bösen Geist in der Flasche“ durch die Domstadt. Ihr Ziel: das Tagungshotel der Agrarministerkonferenz. Dort wurde über die kommende Gentechnikpraxis in der Landwirtschaft gestritten.

Das protestierende Bündnis für eine gentechnikfreie Landwirtschaft fürchtet, dass das neue Gesetz der Gentechnik auch auf norddeutschen Feldern Tür und Tor öffnet.

Bisher verhinderte ein EU-weites Anbaumoratorium den weiten Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut. Doch der globale Lobbydruck von Saatgutherstellern ist wirkungsvoll. Mit dem Entwurf für ein neues Gesetz, das den breiten Einsatz genetisch veränderten Saatguts erlaubt, beugte sich Landwirtschaftsministerin Renate Künast diesem Druck. Das Gesetz sieht eine Haftung nach dem Verursacherprinzip vor, falls genetisch veränderte Pflanzen das Saatgut von konventionellen oder Biobauern verunreinigt. Die Beweisen liegt beim Geschädigten. Kritiker zweifeln an der Machbarkeit dieses Entwurfs.

Für Angela von Beesten, Sprecherin des ökologischen Ärztebundes, ist die so genannte Koexistenz von gentechnisch produzierenden und gentechnikfreien Betrieben in einer Region „nicht möglich“. So seien biologisch arbeitende Betriebe schlichtweg in ihrer Existenz bedroht, wenn sich durch Pollenflug gentechnisch verändertes Erbgut auf den eigenen Feldern einkreuzt. Zudem warnt von Beesten vor Allergien, die durch gentechnisch veränderte Proteine ausgelöst werden könnten.

Einen Blick nach Österreich empfahl der langjährige Europaparlamentarier von Bündnis 90/ Grüne Friedrich Graefe zu Baringdorf. Die Region Kärnten hätte sich bei der EU als gentechnikfreie Zone angemeldet. Einen ähnlichen Weg wollen die im Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft organisierten über 200 bäuerlichen Betriebe und Imker aus Niedersachsen, Bremen und Hamburg gehen. Ihren Aufruf dokumentieren sie auf einer digitalen Landkarte im Internet und hoffen auf breiten Zuspruch.

Gerade der ist vom Großteil der Bauernzunft bisher ausgeblieben. „Nach meinen Erfahrungen mit den konventionellen Kollegen“, so die Biobäuerin Anne Schreiber, „haben sie sich noch nicht mit den Auswirkungen beschäftigt“. Obwohl nach jüngsten Umfragen 70 Prozent aller Landwirte den Einsatz der Gentechnik ablehnen, „ist es für sie weit weg“, so Schreiber. Dabei könnte die Haftungsfrage auch für konventionell arbeitende Bauern – die Raps oder Zuckerrüben anpflanzen – bei einer Nachbarschaft mit Gensaat ein Problem werden. Denn gerade diese gebräuchlichen Nutzpflanzen besäßen ein hohes Auskreuzungspotential.

Für einen kurzen Podiumsauftritt wechselte die Bundeslandwirtschaftsministerin vom Verhandlungstisch zu den Protestlern. Sie zeigte Verständnis für die Bedenken und räumte beispielhaft ein: „Wer Magarine produziert wird bei gentechnischen Verunreinigungen keinen Zuspruch bei Nahrungsmittelindustrie und Verbrauchern haben.“ Applaus für ihre Rede gab es nicht von allen ZuhörerInnen. Sören Janssen vom Bremer BUND kritisierte, dass der Gesetzesentwurf in der jetzigen Fassung die Sicherung einer gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nicht garantiere. Die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum geplanten Gesetz steht noch aus.