Ohne Garantie

Berufliche Aussichten von Akademikern: Nichts ist sicher, und wichtiger als das Studienfach ist die Persönlichkeit

„Je spezialisierter das Fach, desto größer ist das Risiko, am Arbeitsmarkt vorbei zu studieren“

von Sandra Wilsdorf

Sicher ist eigentlich nur, dass gar nichts mehr sicher ist. Während wohl früher einmal galt: Wer das Studium meistert, der hat es geschafft, so verspricht heute ein Studienabschluss weder Reichtum noch überhaupt einen Job. Es gibt für nichts mehr Garantien. Während das für die meisten Geisteswissenschaftler nichts Neues ist, müssen sich Studierende vieler anderer Fachbereiche daran erst gewöhnen. Doch welches Fach bietet Chancen?

Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) meint, dass der Bedarf an Rechts- sowie Geistes-, Kultur-, Sprach- und Sozialwissenschaftlern schrumpfen wird, hingegen die Nachfrage an Natur- und Ingenieurswissenschaftlern, an Medizinern, Wirtschafts- und Erziehungswissenschaftlern steigt. Entsprechend baut er die Hamburger Hochschulen um. Bis 2006 sollen weitere 15 Prozent der Studienplätze an Hamburger Hochschulen abgebaut werden. Addiert man das zu dem bereits seit 1995 erfolgten Abbau, gehen insgesamt etwa ein Viertel der Studienplätze verloren. Braucht das Land keine Akademiker mehr?

Doch, aber der Arbeitsmarkt lässt nur schwer Prognosen zu, welche das sein werden: „Anfang der 90er hätte ich geraten, Elektroingenieur zu studieren“, sagt Margarete Horstmann vom Hochschulteam des Hamburger Arbeitsamtes. Doch dann wurden Elektroingenieure plötzlich in großer Zahl entlassen. Weil es dabei besonders die Älteren traf, haben deren Söhne und Töchter von dem Fach die Finger gelassen. „Heute gibt es deshalb einen gewissen Nachholbedarf“, erklärt Beraterin Horstmann.

Immer wieder werden junge Leute Opfer von Prognosen, welche dann von der Zukunft überholt werden. So waren beispielsweise in den 90er Jahren noch tausende junger Menschen mitten im Studium, die als Bauingenieure den Osten aufbauen wollten, als die Baubranche auch schon wieder zusammenbrach. Heute werden beispielsweise Lehrer gebraucht. Selbst wenn es in sechs Jahren immer noch so sein sollte, ist jedoch fraglich, ob sie auch tatsächlich eingestellt oder doch lieber eingespart werden.

Margarete Horstmann rät von „Orchideenfächern“ ab. Je spezialisierter, desto größer ist das Risiko, am sich verändernden Arbeitsmarkt vorbei zu studieren, lautet die Expertenwarnung. Momentan empfiehlt das Arbeitsamt klassische Ingenieurswissenschaften wie Maschinenbau und Elektrotechnik oder Chemie, Jura und Wirtschaftswissenschaften jeweils mit Nebenfach. Aber auch hier reichen Examen oder Diplom keineswegs aus: „In erster Linie“, so die Beraterin, „kommt es auf die Persönlichkeit an.“

Um die zu bilden, muss manchmal Zeit investiert werden. Trotz Studiengebühren, die zur Eile treiben, „sollte man ohne Scheuklappen studieren“, mahnt darum Magarete Horstmann. „Spielräume“ für Arbeitserfahrungen neben dem Studium, für Auslandsaufenthalte und gesellschaftliches Engagement sollten unbedingt genutzt werden. Alles, wie die Expertin betont, ist gut, was nicht den Eindruck vermittelt, jemand habe außer Schule und Hochschule vom Leben nichts gesehen.

Geisteswissenschaftlern bescheinigt Margarete Horstmann gewisse Flexibilität, weil es für sie noch nie ein klares Berufsbild gegeben habe. Zugleich rät sie ihnen aber zu mehr Pragmatismus. „Man sollte immer im Blick haben, wofür etwas gut ist und entsprechende zusätzliche Erfahrungen sammeln.“

In einer Welt, in der ein Konzern seine Abrechnungsabteilung mal eben nach Krakau oder Kalkutta verlegt, muss jeder sich global messen. Und in einer Zeit, in der die Personaldecke immer dünner wird, kriegt laut Beraterin Horstmann der den Job, „der den Eindruck vermittelt, sich auch ohne große Hilfe schnell einarbeiten zu können“. Diese Kompetenz ist häufig wichtiger als studiertes Fachwissen.