„Die Kontrolle ist bei eBay wirklich krass“

EBay-Mitarbeiter leiden unter Überwachung und stehen unter hohem Leistungsdruck. Anonyme Umfragen sind ein Hilferuf, meint Meike Jäger von Ver.di. Höchste Zeit, dass die New Economy sich mal mit Gewerkschaften befasst

taz: Frau Jäger, eBay hat eine Betriebsrätin verklagt. Sind solche überzogenen Reaktionen typisch für die New Economy?

Meike Jäger: Ich weiß von ähnlichen Fällen in Hamburg oder bei Pixelpark, wo Kollegen auch mal etwas Kritisches gesagt haben. Da war das überhaupt kein Problem. Die Art und Weise, wie eBay reagiert, ist sehr unsouverän. Das sind wirklich Peanuts, die Betriebsrätin hat ja nicht die Firma in den Schmutz gezogen.

EBay-Mitarbeiter haben eine Umfrage initiert. Nimmt die Unzufriedenheit zu?

Bei der Umfrage gab es viel Kritik im Bereich der Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Das ist bei eBay wirklich ziemlich krass. Da wird der Arbeitnehmer mit verschiedenen Software-Tools von vorne bis hinten kontrolliert, und die Daten werden alle zusammengespielt, um ein Profil vom Arbeitnehmer zu erstellen. Damit verbunden ist ein hoher Leistungsdruck. Die Leute kriegen das ja mit, wenn neue Kollegen die Probezeit nicht schaffen. Oder wenn andere weggehen, weil sie den Leistungsdruck nicht aushalten. Die Umfrage verstehe ich als eine Art Hilferuf, damit Betriebsrat und Geschäftsleitung erkennen, dass es so nicht weitergehen kann. Die sollten die Ergebnisse ernst nehmen.

Bröckelt in der New Economy der Mythos der Firma als Familie?

Der bröckelt schon seit 2000, und zwar ganz massiv. Aber nachdem sich im vergangenen Jahr die Lage in der New Economy etwas beruhigt hat und die Massenentlassungen vorbei sind, hat der Wunsch nach Kuscheln bei den Beschäftigten wieder zugenommen, die Bereitschaft zu Konflikten ist gering.

Zu Boomzeiten hat die New Economy über Gewerkschaften nur gelacht. Kommen die Mitarbeiter jetzt auf Sie zu?

Das fing schon mit dem großen Crash 2000 an. Aber die Zahl der Beschäftigten, die tatsächlich Mitglied einer Gewerkschaft sind, ist immer noch nicht zufrieden stellend: Die schwankt zwischen 5 und 10 Prozent, ähnlich wie im Bankenbereich oder auch im privaten Rundfunk.

Wie erklären Sie sich das mangelnde Interesse?

Wenn man in einen Betrieb kommt, wo schon lange ein Betriebsrat existiert, wo die Gewerkschaft ihre Aushänge macht, merkt man bald, dass es sinnvoll ist, dass eine Gewerkschaft im Betrieb ist. In den jungen Firmen der so genannten New Econmy gibt es diese gewachsenen Strukturen noch nicht. Da kommen jetzt junge Leute, die kaum Erfahrungen mit Gewerkschaften haben. WB