christoph schultheis
: Weißbierterrorismus

„Nach Madrid: Wie sicher ist Bayern?“ fragte das „Bürgerforum“ des Bayerischen Rundfunks. Ein Protokoll

Wir schreiben das Jahr 2004, und die Wände sind holzgetäfelt. Weißbiergläser stehen auf langen Tischen. Oder ein Rotwein. Viele Männer an den Tischen haben graue Haare. Der Moderator auch. Er heißt Dietmar Gaiser, ist über 60 und seit 30 Jahren beim Bayerischen Rundfunk. Am Mittwoch lautete das Thema „Nach Madrid: Wie sicher ist Bayern?“

Dietmar Gaiser sagte eingangs Sätze wie „Der Terror rückt näher!“, dann fragte er’s in den Saal: „Wie sicher ist Bayern?“ Und der Mann vom Sicherheitsdienst sagte: „Ich halte die Lage in Bayern für sehr, sehr sicher.“ Danach sagte der Mann von der CSU: „Ich teile die Meinung, dass Bayern sicher ist.“ Es war der Chef der Staatskanzlei. Anschließend sagte ein SPD-Mann: „Die Einschätzung, dass kein Anlass zu Panik und Hysterie besteht, ist richtig.“ Außerdem sagte jemand: „Bayern ist Teil eines abstrakten Gefährdungsraums“, und fügte hinzu, „dass die Krisenreaktionskapazitäten in einer Situation begriffen sind, in der der konzeptionelle Rahmen momentan noch fehlt“. Und wenig später sagte irgendwer: „Wer fürchtet sich denn eigentlich vor dem Abbau der Bürgerrechte? Der normale Bürger sicherlich kaum, sondern der, der irgendetwas zu verbergen hat.“ Soviel dazu.

Abseits an einem Tisch saßen junge Frauen. Sie verbargen ihr Haar unter bunten Kopftüchern und tranken O-Saft. „Wir sind hier heute eingeladen mit Kopftüchern“, ergriff eine das Wort, wurde aber von Dietmar Gaiser unterbrochen: „Wir haben Sie nicht mit Kopftüchern eingeladen!“ sagte er. Doch die junge Frau sprach weiter: „Wenn ich in Schwabing mit Kopftuch auf der Straße gehe, werde ich als Terrorist beschimpft“ sagte sie.

„Allein, dass Sie hier in diesem Saal sind mit Kopftuch“, entgegnete der Staatskanzleichef, „und sich im Bayerischen Fernsehen darstellen können, ist doch der Beweis dafür, dass sie sich frei bewegen können.“ Dann sagte er noch: „Ich halte es nicht für ehrlich, wenn Sie hier einen solchen Popanz aufbauen, als würden auf Sie allein wegen des Kopftuchs in Bayern irgendwelche Gefahren lauern.“ Doch die Frau erwiderte: „Durch solche Aussagen und solche Sendungen wird eine negative Haltung zum Islam geschürt.“

„Also ich“, fiel Bundesverdienstkreuzträger Dietmar Gaiser ihr da erneut ins Wort, „verwahre mich dagegen, dass wir eine negative Sendung machen! Wir freuen uns, dass Sie da sind, und lassen Sie zu Wort kommen!“

Und hätte der BR nicht am selben Abend noch das saucoole Subversionsmovie „Zur Sache, Schätzchen“ aus dem Jahr 1967 gezeigt, mag sein, ich wäre früher oder später explodiert.