Aufflammender Bürgerkrieg in Abidjan

In der Elfenbeinküste findet der Friedensprozess kurz vor dem Eintreffen von UN-Blauhelmen ein vorläufiges Ende, nachdem Präsident Laurent Gbagbo eine Großdemonstration der Opposition von Miliz, Polizei und Militär brutal auseinander treiben ließ

VON DOMINIC JOHNSON

Rebellen und Oppositionsparteien der Elfenbeinküste haben sich am Donnerstagabend aus der Allparteienregierung des westafrikanischen Bürgerkriegslandes zurückgezogen, nachdem 25 bis 40 Menschen bei der Niederschlagung einer Friedensdemonstration in Abidjan ums Leben gekommen waren. Die Drei-Millionen-Stadt Abidjan, wichtigste Stadt der Elfenbeinküste, ist im Kriegszustand. Panzer auf den Straßen, Kampfhubschrauber in der Luft und ein massives Aufgebot an Polizei, Gendarmerie, Armee und regierungstreuen Milizen machen deutlich, dass jeder sein Leben riskiert, der offen seine Opposition zu Präsident Laurent Gbagbo zeigt.

Oppositionsparteien unter Führung der früheren Staatspartei PDCI (Demokratische Partei der Elfenbeinküste) hatten zu der Demonstration am Donnerstag zur Umsetzung der geltenden Friedensabkommen aufgerufen. Die ist seit einem halben Jahr in Planung und soll beweisen, dass Abidjan nicht Gbagbo-treuen Hardlinern allein gehört.

Das Land ist seit September 2002 geteilt, als Rebellen die Nordhälfte unter ihre Kontrolle brachten. Die Kriegsparteien schlossen im Januar 2003 das Friedensabkommen von Marcoussis, das eine gemeinsame Regierung vorsieht. Die soll Reformen zur Beendigung der Diskriminierung von Nachkommen westafrikanischer Einwanderer vornehmen, so dass 2005 erstmals in der ivorischen Geschichte freie Wahlen stattfinden können. 5.000 französische und westafrikanische Truppen überwachen den Waffenstillstand. Ab Anfang April sollen tausende UN-Blauhelme dazukommen.

Das Friedensabkommen wurde bisher jedoch nur schleppend umgesetzt, da radikale Anhänger des Präsidenten jede Konzession an die Rebellen ablehnen und durch das Unterdrücken der Unterstützer des Abkommens sicherstellen wollen, dass die vereinbarten Reformen bei einer Volksabstimmung durchfallen. Manche von ihnen, organisiert in „patriotischen“ Milizen mit Unterstützung der Sicherheitskräfte, predigen die „ethnische Säuberung“ der Elfenbeinküste, deren 16 Millionen Einwohner zu einem Viertel aus Nachbarstaaten stammen.

Diese Milizen und die Sicherheitskräfte erstickten am Donnerstag jeden Demonstrationsversuch. Oppositionsanhänger wurden sofort mit Gewalt auseinander getrieben oder aus Hubschraubern mit Tränengas eingedeckt. Präsident Gbagbo hatte die Großdemonstration bereits vor zwei Wochen verboten.

Polizeichef Yapo Kouassa sprach am Donnerstagabend von 25 Toten, darunter zwei Polizisten; die Opposition von 31 bis 40. Am schärfsten waren die Auseinandersetzungen in Abidjans größtem Slumviertel Abobo, wo „Patrioten“ und „Fremde“ sich seit Jahren in verfeindeten Straßenbanden gegenüberstehen. Hier wurden nach Polizeiangaben 12 Menschen mit Macheten umgebracht. Bei Straßenkämpfen trafen militante Oppositionelle mit Stöcken und Macheten auf gleich ausgestattete „patriotische“ Milizen sowie hochgerüstete Gendarmen und Soldaten. „Abobo gleicht dem Gaza-Streifen“, so gestern eine Zeitung.

Bewohner Abidjans wurden in Zeitungen mit den Worten zitiert, die Stadt scheine dem Militär und tribalen Milizen überlassen worden zu sein. Die französischen Truppen in Abidjan griffen nicht ein. Eine Entspannung der Lage war gestern nicht in Sicht. Nach dem Auseinanderbrechen der Regierung rief die PDCI zu einer neuen Demonstration auf, während Gbagbos FPI (Ivorische Volksfront) von einem „Aufstandsversuch“ sprach und Härte gegen die „Rebellen“ forderte. Die größte Rebellenbewegung MPCI drohte mit Wiederaufnahme des Krieges.