Testlauf für Italiens Regierung

Übermorgen wählt ein Viertel der Italiener neue Provinz- und Gemeinderäte. Ein Sieg der Rechten böte Premier Berlusconi die Chance, mit der Justiz kurzen Prozess zu machen. Im Falle seiner Niederlage könnte die Opposition auf neue Impulse hoffen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Etwa 11,5 Millionen Wähler sind am kommenden Sonntag und Montag quer durch Italien zum wichtigsten Test für Silvio Berlusconi seit dem Regierungswechsel 2001 an die Wahlurnen gerufen. Vom Veneto und der Lombardei bis nach Sizilien haben die Bürger vor allem über die Zusammensetzung von Provinz-, aber auch von zahlreichen Gemeinderäten zu entscheiden.

Dies macht die Wahl auf den ersten Blick national belanglos: Vor allem die Provinzräte sind Gremien, von denen Normalsterbliche kaum wissen, wofür sie überhaupt zuständig sind. Aber schon die Tatsache, dass fast ein Viertel der gesamten Wählerschaft abstimmen wird, sorgt andererseits dafür, dass sowohl die Regierung als auch die Opposition der Wahl eine hohe Bedeutung beimessen. Nur wenige Wochen nach Ende des Irakkrieges wird sich zeigen, ob die von Berlusconi verfolgte und in Italien unpopuläre proamerikanische Linie nennenswerte Stimmverluste nach sich ziehen wird.

Berlusconi hat diesem Risiko nicht zuletzt dadurch gegengesteuert, dass er in den vergangenen Wochen mit scharfer innenpolitischer Konfrontation die Aufmerksamkeit weg von den internationalen Szenarien gelenkt hat: Ausgehend von seinen Nöten mit der Mailänder Justiz im noch gegen ihn laufenden Prozess wegen Richterbestechung mobilisiert er seine Anhängerschaft zum Entscheidungskampf der „Apostel, ja der Krieger der Freiheit“ gegen angeblich putschistische Richter und die vermeintliche massive Bedrohung durch die „kommunistische“ Opposition.

Einen positiven Wahlausgang würde Berlusconi deshalb sofort als Mandat begreifen, binnen kurzem das Problem Justiz in seinem Sinne vom Tisch zu bringen. Der Gesetzentwurf, der nicht nur ihm, sondern auch seinen Mitangeklagten die Suspendierung des Prozesses bis zum Ende seiner Amtszeit als Ministerpräsident bescheren soll, liegt in der Schublade und dürfte bei einem Sieg der Rechten bei den anstehenden Wahlen problemlos das Parlament passieren.

Doch Berlusconi spielt riskant: Eine Niederlage seinerseits dürfte nicht nur die parlamentarische, sondern auch die gesellschaftliche Opposition beleben – und sie dürfte die Widersprüche in der Regierungskoalition weiter verschärfen. Die Oppositionsparteien hoffen daher vor allem darauf, die bisher von der Rechten regierte Provinz Rom zu erobern. Im Juni sodann könnten sie aus einer Position der Stärke heraus mit parlamentarischer Obstruktion die Verabschiedung der Justizgesetze behindern. Und sie könnten wieder auf massive Unterstützung der Straße hoffen: Die Bürgerrechtsbewegung der „Girotondi“ zeigte sich zuletzt deutlich ermattet und brachte am Donnerstag vergangener Woche in Rom sowie in Mailand nur jeweils 1.000 Menschen auf die Straße. Bei einem ermutigenden Signal von den Wählern dagegen dürfte die Mobilisierung von neuem einsetzen. Mit Folgen für die Koalition: Dort zeigen mit den Christdemokraten und der postfaschistischen Alleanza Nazionale schon jetzt zwei Partner von Tag zu Tag sinkende Lust, immer neue Ad-hoc-Gesetze für Berlusconi zu verabschieden.