piwik no script img

Jürgen Trittin wird wieder Liebling

Umdenken in der Anti-Atom-Bewegung: Jetzt ist sogar die größte deutsche Aktivistengruppe für den Konsensweg zur Suche eines nationalen Endlagers. Alles könnte so schön sein. Würde nicht plötzlich die CDU die Blockadepolitik entdecken

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Das Lob der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg für den grünen Umweltminister Jürgen Trittin kommt noch etwas zögerlich. Aber es kommt: „Ausnahmsweise kritisieren wir den Umweltminister mal nicht“, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, der dann den Einsatz des Bundesumweltministers für eine Suche eines Endlagerstandorts „als riesenwichtigen Schritt“ würdigt. Das war nicht immer so. Als im Dezember vergangenen Jahres der „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ – kurz: AKEnd – seinen Abschlussbericht überreichte und eine Standortsuche im „gesellschaftlichen Diskurs relevanter Interessengruppen empfahl“, da stellt die BI noch protestierend „Atomklos“ als Stolpersteine vor dem Ministeriums auf. Auch zuvor hatte die größte bundesdeutsche Anti-Atom-Initiative stets an der Spitze der Kritiker des von Trittin ausgehandelten Atomkonsenses gestanden.

Jetzt ziehen Trittin und die Bürgerinitiative plötzlich an einem Strang. „Die kommenden drei Jahre müssen wir nutzen“, betont Ehmke. Wenn dieser Zeit keine vergleichende Standortuntersuchung beginne, „fällt eine Tür zu“ – dann drohe aus dem Endlagerstandort Gorleben tatsächlich ein Endlager zu werden.

In dem Gremiun gesellschaftlich relevanter Interessengruppen, das unter der Leitung der Umweltstaatssekretärin Simone Probst die Suche nach alternativen Endlagerstandorten vorantreiben soll, wollte die Bürgerinitiative zunächst selbst vertreten sein, ist dann aber vom Bundesumweltministerium „sehr freundlich abgewiesen“ worden. Die wendländischen AKW-Gegner sahen ein, dass ihre Teilnahme an der Vorbereitung der Endlagersuche auch als Fingerzeig auf ein Endlager Gorleben verstanden werden könnte. Für den Umweltschutz sollen nun Greenpeace und der Deutsche Naturschutzring in dem Gremium präsent sein, das zunächst nur einen Konsens über den Weg zu einem Endlagerstandort finden soll. In die „Verhandlungsgruppe Nukleares Endlager“ hat das Ministerium außerdem Vertreter der Energieversorger, von Großforschungseinrichtungen, der evangelischen Kirche, der Gewerkschaft IG BCE, der Bundesländer und nicht zuletzt der vier im Bundestag vertretenen Fraktionen eingeladen.

Widerstand am Konsensvorhaben kommt nun allerdings von der CDU. Umweltstaatssekretärin Probst fragte erstmals vor Ostern bei der Unionsfraktion wegen einer Teilnahme an. Später wandte sich Bundesumweltminister Trittin persönlich an CDU-Chefin Angela Merkel. Nach Angaben des CDU-Bundestagsabgeordneten aus Lüchow-Dannenberg, Kurt-Dieter Grill, sagte Merkel die Teilnahme der Union in dieser Woche schließlich endgültig ab. „Wir hatten nur eine Einladung mitzureden, aber nicht mitzuentscheiden“, meint Grill. Die CDU bestehe weiter auf einer Aufhebung des Moratoriums, das den weiteren Ausbau des Salzstocks in Gorleben gegenwärtig unterbrochen hat.

BI-Sprecher Ehmke erinnert sich allerdings noch daran, dass 1990 selbst die seinerzeitige Bonner CDU/FDP-Koalition noch für jene Suche nach weiteren Endlagerstandorten eingetreten ist. Der nächste BI-Protest – ein Festival am 31. Mai am Endlagerbergwerk – stellt deshalb nicht Trittin an den Pranger. Sondern die CDU-Blockadepolitik. Allerdings will die Bürgerinitiative auch künftig gegen Atomtransporte ins Wendland und für den Sofortausstieg demonstrieren. Den nächsten Transport von 12 Castor-Behältern ins Gorlebener Zwischenlager, der im Herbst erwartet wird, hat das Bundesamt für Strahlenschutz bereits genehmigt. Spätestens dann ist Jürgen Trittin wieder dran.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen