Was wird jetzt aus dem Festtagsbraten?

+++ Bereits 184.000 Opfer durch Geflügelpest im Kreis Cloppenburg +++ Niedrig pathogener Virus mit starker Ausbreitungstendenz birgt Gefahr verdeckter Infektionen +++ Landkreis weitet Sperrgebiet auf Gemeinden Bösel, Garrel und Cloppenburg aus +++ Tierschützer kritisieren Stallpflicht: Nur eingesperrte Vögel erkrankt +++ Allein im Sperrgebiet leben rund 2,8 Millionen Stück Geflügel, zwölf Millionen im gesamten Landkreis+++ Zahl der betroffenen Arbeitsplätze nach Kreisangaben nicht abzuschätzen +++ Seuchenkasse kommt für vergaste Puten auf +++ Virus geht nicht auf Menschen

Steht jetzt zu Weihnachten Heilfasten nach Dr. Buchinger an? Das muss nicht sein. Ein traditionelles, seit etlichen Jahren skandalfreies, sogar ökologisch unbedenkliches Festmahl ist – der gute alte Weihnachtskarpfen. Auch wenn er kulinarisch in Misskredit geraten ist: Karpfen kann schlammig schmecken. Das ist kein Vorurteil. Aber erstens gilt in der taz-Küche: lieber Schlamm als Pest. Und zweitens: Er muss ja nicht. Es kommt auf die Qualität des Fischhändlers an: Wurde das Tier ordnungsgemäß zehn Tage vor Schlachtung in klares Gewässer umgesetzt, verändert sich das Aroma ins angenehm Nussige. Damit lässt sich arbeiten – und zwar eigentlich recht einfach. Der Karpfen – pro Person ein halber – wird geschuppt und ausgenommen: Vorsicht! Wenn dabei die weiße Gallenblase platzt, ist auch ein gewässerter Karpfen ungenießbar. Anschließend gehört er längs gespalten, Schwanzflosse inklusive, trocken getupft, gesalzen und gepfeffert. Beide Hälften mehlieren, in reichlich Nussbutter bei mäßiger Hitze in der Pfanne beidseitig ausbacken und mit Zitronenspalten anrichten. Die farblich ideale Ergänzung ist ein mit Crème Fraîche abgerundetes Püree vom Hokaido-Kürbis, geschmacklich empfiehlt sich eher eines von der blassen Pastinake. Und natürlich Salat. BES

von BENNO SCHIRRMEISTER

Geflügel soll’s also dieses Jahr nicht sein. Wobei, bleibt ja jedem selbst überlassen: Der Virus H5N2 greift nicht auf den Menschen über. Er ist aber niedrig-pathogen, was heißt: Er breitet sich so rasch aus, wie der berüchtigte Vogelgrippe-Verursacher A/H5N1. Bloß entwickeln „die Tiere oft keine klinischen Symptome“, bestätigt ein Sprecher des Landkreises Cloppenburg.

Beruhigend? Eher nicht. Denn einige Tiere der betroffenen Betriebe wurden laut Landwirtschaftsministerium schon vor Ausbruch der Krankheit geschlachtet: Es war also kein totaler Einnahmeausfall. Gut möglich aber, dass die bereits infiziert waren, und nun im Tiefkühlregal von Supermärkten lagern. Mitsamt Erreger: Schockfrosten macht nämlich Viren fast unbegrenzt haltbar – ähnlich dem im Fettgewebe lagernden Dioxin in Rind, Schwein und Deichlamm.

So war es zumindest in der Vergangenheit: Als Ende 2007 an verschiedenen Orten in Brandenburg die Vogelgrippe ausbrach, stand schnell fest: An Zugvögeln lag’s nicht. Es zeigte sich, dass Innereien von Tiefkühl-Mastenten an die erkrankten Tiere verfüttert worden waren. Deren Heimat? Das ließ sich nicht klären. Möglicherweise stammten sie aus Polen. Oder aus Niedersachsen.

Damit scheiden also Truthahn und -huhn – in Cloppenburg unter der Bezeichnung Pute produziert – in diesem Jahr als Weihnachtsbraten aus. Aber auch die übrigen Speise-Vögel bekommen ein dickes Fragezeichen. Zwar stimmt: Positiv getestet hat man nur Puten, die in hermetisch abgeriegelten Großstallungen gemästet wurden. Aber wer deshalb lieber auf Freiland-Gänse oder -Enten zurückgriffe, sieht sich von Agrarminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) gefoppt: Freitag hat der alle Ausnahmen von der Stallpflicht widerrufen. Getreu dem rechtsstaatlichen Grundsatz: Gleiche Pest für alle. Die „Engstaufstallung“, kritisiert Eckard Wendt von der Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung, löse bei den Tieren Stress aus der das Immunsystem schwäche. Sodass „die Ansteckungsgefahr dramatisch steigt“.

Bleiben also – nun ja: Kartoffelsalat mit Dioxin-Würstchen? Wohl kaum. Wer Sojaprodukte mag und ihnen im Zeitalter genmanipulierten Saatguts noch traut, kann sich etwas aus Tofu formen. Zudem hält sich das Gerücht, es gebe Menschen, die Seitan so schmackhaft zubereiten können wie Rinderfilet – ein beneidenswertes Talent, das dünn gesät zu sein scheint. Und nur dort zur Entfaltung kommt, wo niemand mit Gluten-Allergie mittafelt. Die ist relativ häufig. Risiken bergen auch andere vegetarische Winterspezialitäten – wie Grünkohl: In elf Prozent der 2007 entnommenen Proben habe man teils starke Dimethoad-Belastungen entdeckt, informierte Ende Oktober das Bundesamt für Verbraucherschutz. Dimethoad ist ein Insektengift. Genutzt wird es auch für Morde und Selbsttötungen.