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Diesmal wohl ohne Kohl

Bei der 17. Auflage des „Hamburger Kabarett-Festivals“ dürfte der obstförmige Altkanzler nur noch bedingt als Pointenfutter dienen – aber es bleibt ja immer noch der Krieg

von ALEXANDER DIEHL

Oje. War dieser Einstieg zu krass, zynisch oder gar menschenverachtend? Immerhin: Wir sprechen hier von Kabarett, noch dazu von politischem, und da ging es noch nie zimperlich zu. Geharnischt müssen da die Worte von der Bühne klingen, und der grobe Keil darf bekanntlich schon mal zum Einsatz kommen. Wenn Hohn und Spott und Pointen auf Kosten der Mächtigen ihre einzigen Waffen sind, dann kommen die Ohnmächtigen nicht weiter mit dem Respekt vor Geschmacksgrenzen.

So oder so ähnlich dürften zumindest die politisch ambitionierten unter den Kabarettisten und Kabarettistinnen ihre Profession umreißen. Vielleicht das brisanteste Feindbild stellt da das verdächtig erfolgreiche Nachbarmetier „Comedy“, von dem es sich abzusetzen gilt. Ihrer Neigung freilich, dem behaglichen Einverständnis mit dem Publikum zuzuarbeiten, hätten sich insbesondere die alten Hasen des linksliberalen Kabaretts schon länger mal stellen dürfen.

Schon ob seines langen Atems eine veritable Institution im Kleinkunsttreiben der Hansestadt ist das „Hamburger Kabarett-Festival“, das nun zum 17. Mal ausgetragen wird. Dass solch lange Schatten werfende Tradition nicht nur von Vorteil ist, darauf wurde vor ein paar Jahren in dieser Zeitung hingewiesen: Anlässlich der Eröffnung der 14. Festival-Auflage war da von einer Sackgasse die Rede, in die „Wortverdrechsler der alten Schule“ das Kabarett geführt hätten. Diese Routiniers – damals namentlich Matthias Richling oder auch Matthias Beltz – hatten gut anderthalb Jahrzehnte lang ein einfaches Objekt zum Daran-Abarbeiten: Altkanzler Dr. Helmut Kohl. Und, so die damalige These weiter, dass sie auch nach dem politischen Ende „des Dicken“ ein kabarettistisches Auskommen haben, das wäre seitens dieser Instanzen unter Beweis zu stellen.

Der notorische Stimmenimitator Richling ist auch dieses Jahr wieder dabei, wie auch Matthias Deutschmann, Herbert Knebel, Georg Schramm und Richard Rogler, um die bekanntesten Namen in einem Atemzug zu nennen. Ebenfalls nicht zum ersten Mal zu Gast sind Queen Bee, Sigi Zimmerschied oder das Herrentrio Ars Vitalis. Und nicht erst, weil das diesjährige Festival den Titel „Friendly Fire“ trägt, zeichnet sich ab, dass der Humor ein schwarzer sein (und so mancher nicht um ein Bush-Wortspiel herumkommen) dürfte.

Zu entdecken findet sich im umfänglichen Programm die eine oder andere Besonderheit: Während in früheren Jahren auf angereisten Österreichern oder dem bayerischen Bühnennachwuchs besondere Beachtung ruhte, ist eine programmatische Klammer diesmal die Region als solche: Da darf das hessische Duo Badesalz (war das nicht auch Comedy?) dann so wenig fehlen wie die rheinischen Doppelexistenzen Pause + Alich. Wir empfehlen außerdem die Lesungen verdienter Kolumn-, nicht Kabarettisten wie Axel Hacke oder Wiglaf Droste. Dessen Wortwitz, keinem noch so brisanten Motto sich freiwillig unterstellend, wird es vielleicht wirklich auf sich ziehen, das „Friendly Fire“.

Eröffnung (Matthias Deutschmann, Heinrich Pachl, Arnulf Rating): Sonnabend, 24.5., 20 Uhr, St. Pauli Theater; das Festival läuft bis zum 15.6., Infos und Karten unter ☎ 41 33 44 44, ☎ 47 11 06 66, www.hamburger-kabarettfestival.de

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