Gesche-Münchhausen Tatort

Mit „Der schwarze Troll“ ist Radio Bremen wieder ein ganz eigener Tatort-Krimi gelungen

taz ■ Erst die Augenpaare und das wohl berühmteste Musikthema des deutschen Fernsehens, und dann gibt es auch bald schon die Leiche. So beginnt auch dieser „Tatort“, und man erwartet, dass man nach knapp 90 Minuten erfährt, wer wohl den Mann der netten, zugleich so hilfsbereiten und hilflosen Laura Kern ermordet hat. Aber denkste: schon nach zwanzig Minuten kennen Hauptkommissarin Inga Lürsen und ihr Kollege Stedefreund den Täter, und der stellt sich sogar noch freiwillig – was bitte soll denn in der nächsten Stunde Sendezeit am Sonntagabend noch groß passieren?

Im Schach nennt man solch ein frühes, möglichst überraschendes Opfer ein Gambit, und es verspricht eine spannende Partie. Auch hier führt das Bauernopfer der Aufklärung des eher banalen Mordes zur viel interessanteren Dame des Spiels, die frühe Antwort auf die Frage „Wer war’s?“ lässt Fragen offen, die in ein verwinkeltes Psychodrama führen. Auch die Perspektive ist hier anders als in den meisten Tatorten: Wir folgen zwar auch, wie gewohnt, dem Ermittlerteam bei seiner Arbeit mit Spuren, Vernehmungen, Beschattungen, kleinen Pannen und diversen Befindlichkeiten, aber all das scheint auf das Nötigste reduziert zu sein. Oft bleiben wir statt dessen bei dieser merkwürdigen Frau Kern, sehen, wie sie mit ihren beiden Kindern umgeht, die Rolle des Opfers perfekt spielt und uns dabei immer unheimlicher wird. Bei Radio Bremen war man gut beraten, mit der Filmregisseurin Vanessa Jopp („Vergiss Amerika“) und der Autorin Thea Dorn zwei Frauen zu engagieren, die beide noch nie an einem Fernsehkrimi gearbeitet, und sich bei ihrem Debüt viel getraut haben. Thea Dorn ist Autorin von so genannten Frauenkrimis („Die Hirnkönigin“) und hat „Der Schwarze Troll“ ähnlich gut gebaut, die Dialoge punktgenau geschrieben sowie viel von ihrem schön schwarzen Humor einfliessen lassen. Und sie erzählt so spannend, dass man schnell übersieht, dass sich dieser „Tatort“ auch wie eine genau beobachtete psychopathologische Fallstudie lesen lässt. Und die erinnert seltsamerweise sehr an einen historischen Bremer Kriminalfall. Man darf ja nicht zuviel verraten, aber dieser Tatort könnte auch „Gesche Münchhausen“ heißen. Wilfried Hippen

Der Radio Bremen Tatort „Der schwarze Troll“ läuft am Sonntag um 20.15, ARD