Triumph für Tayyip Erdogan

Bei den Kommunalwahlen siegt die regierende Partei des türkischen Ministerpräsidenten haushoch. Deutliche Steigerung auch im kurdischen Südosten. Wahl zeigt einen deutlichen Trend nach rechts

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Mit knapp 43 Prozent aller Stimmen landesweit hat die regierende AKP des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag einen überwältigenden Sieg errungen. Die einzige noch im Parlament vertretene oppositionelle CHP kam auf 18 Prozent und verlor im Vergleich zu ihrem Ergebnis bei den Parlamentswahlen von November 2002 zwei Prozent. Die regierende AKP erhöhte ihren Stimmenanteil dagegen von 34 Prozent im November 2002 um neun Prozent.

Obwohl es bei den Wahlen um die kommunalen Parlamente und die Bürgermeister ging, hatte die Abstimmung doch von Anfang an den Charakter einer nationalen Wahl, bei der die nationalen Themen dominierten. Eineinhalb Jahre nach den Parlamentswahlen suchte die AKP um eine Bestätigung beim Wähler nach, die sie nun in eindrucksvoller Weise bekommen hat. Zuletzt erreichte der damalige Ministerpräsident Turgut Özal Mitte der 80er-Jahre Ergebnisse wie jetzt Tayyip Erdogan.

Von den vier größten Städten des Landes, Istanbul, Ankara, Izmir und Adana, konnte die CHP einzig und allein Izmir gewinnen. Ein Blick auf die politische Landkarte zeigt, dass die kemalistische, sozialdemokratische CHP nur in den Küstenregionen, vor allem im Westen an der Ägäisküste, eine Chance hat, während im Landesinneren die AKP flächendeckend dominiert. Auch im kurdisch besiedelten Südosten des Landes konnte die AKP ihren Stimmenanteil deutlich steigern. Während bei den letzten Kommunalwahlen des Jahres 1999 die prokurdische Hadep im Südosten praktisch alle Städte gewann, musste sie jetzt Gewinne der AKP in Van, Urfa und anderen Städten hinnehmen.

Insgesamt verlor die Hadep-Nachfolgerin Dehap, die dieses Mal in einem Bündnis mit anderen türkischen Linksparteien antrat, ein bis zwei Prozent an Stimmen. Das ist symptomatisch für den Zustand der Linken insgesamt. Die Wahl zeigt einen deutlichen Trend nach rechts, alle Linksparteien zusammen erreichten gerade einmal 25 Prozent.

Die Kommunalwahl hat damit die Prognosen bestätigt, nach denen es der aus dem islamischen Milieu kommenden AKP gelungen ist, ihre Basis weiter zu verbreitern. Außer der religiösen Klientel haben sich viele frühere Wähler konservativer, nationalistischer Parteien für die AKP entschieden, die damit ihrem Anspruch, die rechten und konservativen Wähler des Landes insgesamt zu repräsentieren, ziemlich nahe kommt.

Grund dafür ist, dass sich die Partei bislang nur wenig islamistische Ausrutscher geleistet hat und durch ihre deutliche proeuropäische Außenpolitik auch Wähler über ihre Stammklientel hinaus gewinnen konnte. Dazu kommt, dass bei Kommunalwahlen die regierende Partei immer im Vorteil ist, weil in der zentralistisch organisierten Türkei viele Entscheidungen, die die Kommunen betreffen, in Ankara getroffen werden.

Mit diesem Wahlergebnis im Rücken ist Tayyip Erdogan gestern früh innenpolitisch gestärkt in die Schweiz gereist, wo er an den finalen Verhandlungen über Zypern teilnimmt. Mit dem griechischen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis, den türkischen und griechischen Vertretern Zyperns und UNO-Generalsekretär Kofi Annan soll dort nun bis Mittwochabend eine Lösung erarbeitet werden.

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