Bei Parmalat wackeln jetzt 15.000 Jobs

Der Sanierungsplan für den italienischen Skandalkonzern sieht den Rückzug aus 20 Ländern und die Konzentration auf Kerngeschäft vor – wenn die Gläubiger zustimmen. Der Prozess wegen Börsenbetrugs lässt noch auf sich warten

ROM taz ■ Das Bild eines rundum attraktiven Unternehmens zeichnete Konzernchef Enrico Bondi am Ende letzter Woche: Seine Parmalat macht zur Freude ihrer Anleger satte Gewinne und ist deshalb schon ab September wieder börsennotiert. Nur ein Problem gab es bei dieser Präsentation: Die Zuhörer waren die Vertreter von Banken, institutionellen und Kleinanlegern, die zusammen 14 Milliarden Euro an Krediten und Anleihen bei der „alten“, der Pleite-Parmalat Calisto Tanzis verloren haben.

Noch ist vollkommen unklar, was genau die geprellten Anleger von der strahlenden Zukunft des norditalienischen Milchriesen zu erwarten haben. Im Zentrum des Rettungsplans steht die Umwandlung der Kredite in Firmenanteile. In welcher Höhe aber entschädigt wird, ließ Bondi einstweilen völlig offen, gerüchteweise ist von Ziffern zwischen 15 und 33 Prozent die Rede.

Deutlicher wurde der Sanierer dagegen, was die Pläne zur Umstrukturierung des Konzerns angeht. Gleich aus 20 der 30 Länder, in denen Parmalat bisher Produktionsstätten unterhält, soll der Milchmulti sich zurückziehen. Die Engagements in Asien, in Lateinamerika, in den USA sollen eingestellt, die dortigen Töchter verkauft oder abgewickelt werden. Parmalat würde damit die Hälfte der Arbeitsplätze im Konzern einbüßen, statt 32.000 sollen nur noch 17.000 Menschen auf der Lohnliste stehen. Zugleich soll sich das Unternehmen in den verbleibenden Ländern auf sein Kerngeschäft, also Milch und Milchprodukte sowie Fruchtsäfte, konzentrieren. Deshalb fürchten die Gewerkschaften auch in Italien, wo Parmalat 4.000 Beschäftigte hat, um Jobs – hier soll die Konservenproduktion aufgegeben werden. Wie weit nun Entlassungen drohen, ist bisher nicht bekannt. Bondis Plan steht und fällt mit dem Votum der Gläubiger. Ende Mai wird ihnen der detaillierte Rettungsplan vorgelegt werden. Bei einer Ablehnung wäre der Bankrott unvermeidlich.

Später als die Entscheidung über die Zukunft werden die juristischen Beschlüsse über die Vergangenheit der Parmalat fallen. Die Staatsanwaltschaft Mailand drang nicht mit ihrem Ansinnen durch, den Prozess wegen Börsenbetrugs gegen den Mehrheitseigner Calisto Tanzi, den früheren Finanzchef Fausto Tonna und 27 Mitangeklagte sofort zu eröffnen – ohne die in Italien übliche Voranhörung. Die für das Schnellverfahren nötige „Evidenz der Beweise“ sah der zuständige Untersuchungsrichter nicht für alle Angeklagten gegeben. Deshalb wird das Verfahren jetzt den üblichen Gang gehen. Bei der Fülle der Angeklagten kann sich schon die Voranhörung über mehrere Monate hinziehen. Calisto Tanzi wird das Verfahren aber weiter in Untersuchungshaft abwarten müssen: Er ist gerade nach einem Krankenhausaufenthalt wegen Herzschwäche wieder ins Gefängnis überstellt worden. Tanzi darf sich jedoch über wachsende Medienunterstützung freuen: Immer mehr Kommentatoren vor allem aus dem Berlusconi-Lager stimmen den Refrain an, dass für einen Weißen-Kragen-Kriminellen anders als für ganz gewöhnliche Diebe der Knast schlicht unzumutbar ist. MICHAEL BRAUN