Erst mal Kaffee trinken, bis Powell kommt

Alarmstufe 1 im Hotel Intercontinental. Heute beginnt dort die Afghanistankonferenz. 2.500 Polizisten, Grenzschützer und Scharfschützen sichern die Politiker aus aller Welt. Doch gestern konnte man noch ungestört ins Foyer spazieren. Ein Besuch

VON SERGE SEKHUIS

High Noon. Die Gedächtniskirche blinkt in der Frühlingssonne. Ein Hubschrauber streicht vorüber. Niemand guckt. Touristen schlendern an den Souvenirläden entlang. Am Eingang des Zoos beginnt die Budapester Straße. Ruhig laufe ich Richtung Hotel Intercontinental, weil ich selbst einen einfältigen Touristen spiele. Ich habe Zeitungen gelesen und Radio gehört. Mittwoch und Donnerstag wird hier die Afghanistankonferenz veranstaltet. Jetzt schon sollte die Straße hermetisch abgesperrt sein, das Hotel eine uneinnehmbare Festung mit Scharfschützen auf dem Dach.

Doch nur die Telekom verlegt extra Leitungen, zwei Männer basteln an einem Notaggregat. Direkt vor dem Hotel stehen zwei kleine Polizeibusse. Eine grüne Mütze sitzt am Steuer. Zwei Kollegen gehen gelangweilt auf und ab, fummeln mal am Funkgerät. Auf beiden Seiten warten Absperrgitter, aber die Straße ist frei. Schwarze Limousinen karren Männer in strammen Anzügen herbei. Multikulturelle Typen, einige tragen schon den Konferenz-Anstecker. 600 Gäste werden hier über die Zukunft des Landes beraten, in dem US-Präsident George W. Bush vor zwei Jahren, als Rache für die Attentate des 11. Septembers, die Taliban aus ihrer Höhle jagte.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai selbst ist dabei. Auch UNO-Generalsekretär Kofi Annan und US-Außenminister Colin Powell kommen. Selbstverständlich geht es um Politik, Macht und Geld. Und beim Schnaps wird sicher auch gerätselt, wo sich dieser ärgerliche Ussama versteckt.

Viele sich selbst wichtig findende Leute. Das könnte Terroristen anlocken. Deswegen überlassen Auswärtiges Amt, LKA und BKA nichts dem Zufall, heißt es in der Presse. Alarmstufe 1, 2.500 Polizisten und Grenzschützer. Polizeiboote und Taucher auf und im Landwehrkanal. Die müssen dann wohl alle noch kommen, schätze ich, als ich ungestört in das Hotel spaziere.

Ich mische mich unter die Besucher einer Pharmazeuten-Tagung. Die machen gerade Pause, trinken Kaffee oder rauchen. So wie Michael Pilz. „Das wird sicher erst anfangen, wenn wir um fünf hier weg sind“, schätzt er. In der Nacht hat er zwar dutzende Polizisten vor dem Hotel gesehen, aber nichts Beeindruckendes. „Wenn ich Terrorist wäre, wäre dies eine schöne Gelegenheit“, meint er. „Obwohl, so groß ist die Gefahr nicht. Wir waren doch gegen den Irakkrieg.“

Beim Kaffeeholen denke ich mir, wie einfach es wäre, jetzt eine Bombe ins Klo zu legen. An einem Tisch sitzen zwei Polizisten in Uniform, sie registrieren, wer von den Gästen schon rein ist. Das ist schon alles, was der schnell irritierte Polizist verraten will. Mehr könne ein Pressesprecher sagen, aber der ist nicht da. Auch der Portier hält den Mund, will nichts gesehen haben von all den berühmten Gästen.

Dann meldet sich Türkan Gültepe, die PR-Managerin des Interconti. Gern erzählt sie, wie logisch es sei, dass die Konferenz gerade in ihrem Hotel stattfinde. Es liegt ideal. Zentral und doch einfach abzusperren. Und mit Blick auf die Zoo-Elefanten. Aber warum kann ich so einfach hier reinlaufen? Weil ich zu früh bin. Das richtige Fest beginne erst, wenn Powell komme, verrät die PR-Dame. Und fügt aufgeregt hinzu, dass der US-Minister in der Präsidentensuite schläft. Die habe 1998 Bill Clinton eingeweiht. Seither hat die Suite kugelsichere Fenster, eigene Klimaanlage, konstante Kameraüberwachung. Wie bei Big Brother.

Aber wo schläft dann Karsai? Er wird doch, als wahrscheinlichste Zielscheibe eines Attentats, am besten überwacht? Sie weiß es nicht, wirklich nicht, beteuert Gültepe. Nur dass er schon Montag in Berlin angekommen ist und erst Freitag wieder abreist. Er liebt Berlin, so scheint es.

Gültepe strahlt kurz, wenn man sie fragt, ob sie stolz ist. Dann erzählt, wie viel sie schon gewohnt sind hier. Letztes Jahr kamen der Putin und der Mubarak. „Wir hatten schon vier Staatsbesuche, eine Nato-Tagung, einen EU-Gipfel und jedes Jahr den Bundespresseball.“ Und der Powell war schon mal hier, der kennt sein Zimmer schon.

Das Schönste aber ist das Multikulturelle. Unter den 500 Hotelmitarbeitern gebe es 35 Nationalitäten, verkündet Gültepe. Das hilft für eine Bedienung nach Maß. Denn viele Gäste sind Muslime, denen darf man kein Schweinefleisch servieren.

Es ist kurz vor halb zwei. Noch wenige Stunden und dann fängt es an hier. Die Polizisten draußen langweilen sich noch immer.