schweinisches treiben vor laufender kamera von RALF SOTSCHECK
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Manchmal ist Stromausfall ein Segen. Vergangenes Wochenende zum Beispiel: Als das europäische Kampfsingen in Riga einsetzte, blieb der Bildschirm dunkel und uns das gruselige Gewimmer erspart. Wir verpassten ebenso den Einzug der zwölf traurigen Gestalten ins „Big Brother“-Haus – eine Sendung, deren Verfallsdatum bereits bei der ersten Staffel vor vier Jahren weit überschritten war. Um den Zuschauern die dümmliche Sendung schmackhaft zu machen, hatte sich Channel 4 einen Werbetrick ausgedacht. Neben dem weißen Pferd von Uffington, einer mehr als 3.000 Jahre alten Kreidezeichnung, brachten die großen einfältigen Brüder ihr Logo an: ein Auge. Archäologen und andere Menschen mit einem Funken Geschmack rauften sich öffentlich die Haare, wodurch das dumpfe Großbrudertreiben in allen Medien gebührend gewürdigt wurde.

Dem Boulevardblatt Sun ist das Treiben offenbar nicht genug. Der Schmutzkübel hat 50.000 Pfund für das Pärchen ausgesetzt, das es zum ersten Mal vor laufender Kamera treibt. Schließlich haben es auch die Niederländer, Schweden, Norweger, Australier, Belgier und Italiener bereits getan. Anfang des Monats konnte, wer es denn wollte, auch im französischen Fernsehen den ersten „Big Brother“-Sex live miterleben. Es war ausgerechnet eine Engländerin, die daran beteiligt war, nämlich Eleanor Legge-Bourke, die Cousine des königlichen Kindermädchens Tiggy Legge-Bourke.

Die Sun besteht ausdrücklich auf heterosexuellen Sex. Sollten zwei Knaben oder zwei Mädels zusammen ins Bett schlüpfen, bekämen sie keinen Penny, erklärte Chefredakteurin Rebekka Wade. Das ärgerte die Homosexuellen-Organisation Stonewall. Die Sun sei nicht zeitgemäß, erklärte ein Sprecher. Schließlich haben die Zuschauer vor zwei Jahren einen Schwulen zum Sieger gewählt, und der habe inzwischen im Showgeschäft Karriere gemacht, während die Heterogewinner in der Versenkung verschwunden seien. Es ist kaum zu glauben, dass Stonewall auf den großen schwulen Bruder auch noch stolz ist.

Um den Wettbewerb etwas anzuheizen, hat die Sun sechs männliche und sechs weibliche Schweine auf eine Wiese gesetzt, wo sie rund um die Uhr im Internet beobachtet werden können. Dem Schweinestall sind die Tiere bisher ferngeblieben. Offenbar haben sie mehr Schamgefühl als ihre zweibeinigen Big Brothers. Die Leser können jede Woche ein Schwein abwählen, das dann „auf humane Art“ verwurstet wird – ein gnädigeres Schicksal, als es die zwölf Kandidaten im „Big Brother“-Haus erwartet. Das Wurstblatt hat deren Freunde nämlich aufgefordert, möglichst peinliche Geschichten über die Insassen zu erzählen – gegen ein fürstliches Honorar, versteht sich. Aber haben solche Leute überhaupt Freunde?

Dem Sieger von Pig Brother winkt ein Kübel Äpfel. Und sollten die Tiere ihren menschlichen Leidensgenossen mit schweinischem Sex vor der Kamera zuvorkommen, werden sie 2004 zum Schlagerwettbewerb nach Istanbul geschickt. Schlechter als Jemini können sie gar nicht abschneiden.