Schneller weg mit der alten Platte im Osten

Wohnungswirtschaft ächzt unter dem Ballast leerer Häuser und fordert mehr öffentliche Gelder für den Abriss

HOYERSWERDA taz ■ Der Sog der Kohle ließ die Einwohnerzahl von Hoyerswerda bis in die Achtzigerjahre auf das Zehnfache anschwellen. Seit 1989 aber hat die „zweite sozialistische Stadt der DDR“ rund ein Drittel ihrer damals 72.000 Einwohner verloren. 5.000 Wohnungen stehen leer. Abwanderung und Geburten-rückgang bedrohen diese Stadt wie keine zweite, deren Perspektive nach einer Prognose des Statistischen Landesamtes noch bei 30.000 Einwohnern liegen dürfte. Ganz ansehnliche Verfreundlichungen rückgebauter Plattenblöcke sind ein schwacher Trost.

Im Prinzip sieht es im gesamten Osten ähnlich aus. Jeder zehnte Einwohner ging, der Wohnungsleerstand ist entspre-chend. „Eine unumkehrbare Tendenz“, so der für Wohnungsfragen zuständige sächsische Staatssekretär Albrecht Buttolo. Auf mögliche Zuzüge nach der EU-Osterweiterung zu hoffen, sei eine Illusion. Mit den Folgen für die Wohnungswirtschaft befasste sich gestern ein Kongress in Hoyerswerda, veranstaltet von der Sachsen-Treuhand und der BBT, den Beratungsunternehmen der kommunalen Wohnungswirtschaft in Sachsen und Brandenburg.

Die Wohnungswirtschaft in Ostdeutschland sieht sich durch den Ballast überflüssiger Wohneinheiten nachhaltig in ihrer Existenz bedroht. Sie sei „nicht durch Vergesellschaftung der Risiken, sondern nur durch Marktbereinigung zu retten“, sagte Gerhard Steintjes vom Brandenburger Bau- und Verkehrsministerium. Das meint im Klartext Abriss, der aber von den Unternehmen wiederum nicht allein bewältigt werden kann. Den Ruf nach staatlichen Hilfen hat die Bundesregierung seit 2002 mit dem 2,7 Milliarden Euro schweren Programm zum „Stadtumbau Ost“ erhört, das bis 2009 laufen und den Bestand um 350.000 Wohneinheiten verringern soll. Der Bund selbst bringt allerdings nur 1,2 Milliarden auf, Länder und Kommunen müssen den Rest tragen. Verschwiegen wird bei diesem gesteuerten Schrumpfungsprogramm Ost meist, dass es sich gewissermaßen um die Gegensubventionen zu einer Entwicklung handelt, die keineswegs allein vom allmächtigen Schicksal beeinflusst ist. Subventionen und Sonderabschreibungen hatten besonders in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre zu einem Überangebot an Wohnungen und Büroflächen geführt. Leerstand und stagnierende Mieten ließen bald den Ruf nach staatlicher Marktregulation laut werden.

Nun geht der Wohnungswirtschaft der Stadtabbau Ost nicht schnell genug. Die Leerstandszahlen steigen schneller als die Planungen. Bis 2009 wird der Prozess nicht zu bewältigen sein. Kommunen können oft ihren Anteil nicht aufbringen. Der im novellierten Altschuldenhilfegesetz gesenkte Mindestleerstand von 15 Prozent als Voraussetzung für eine Entlastung ist vielen noch zu hoch. Die Mehrzahl der finanzierenden Kreditinstitute lehnt inzwischen ein Engagement in Ostdeutschland ab. „Es ist ein Mythos, dass die Wohnungswirtschaft im Osten am Abgrund steht“, dementierte Vorstandschef Günther Troppmann von der Deutschen Kreditbank AG und fordert mehr staatliche Ausfallbürgschaften. Während die kühlen Rechner aufs Tempo beim Abriss drücken, warnte Wolfgang Jenschke von der Hoyerswerdaer Wohnungsgesellschaft mbH vor „Kundenunfreundlichkeit“. So schnell könnten qualitätvolle Ersatzangebote für Mieter nicht bereitgestellt werden. MICHAEL BARTSCH