Raues Klima bei Rot-Grün

Regierungskoalition einigt sich im Klimastreit. Clement setzt sich gegen Trittin durch. Wirtschaft zufrieden, Grüne dagegen eher enttäuscht. Umweltverbände sehen Kniefall vor der Industrie

BERLIN taz ■ Fünf Stunden hockte die kleine Koalitionsrunde in der Nacht zum Dienstag bei Espresso und Mineralwasser im Kanzleramt zusammen. Dann endlich einigten sich Kanzler Gerhard Schröder, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement mit Vizekanzler Joschka Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin auf die Details des Emissionshandels. Auf 503 Millionen Tonnen Kohlendioxid soll die Industrie ihren Ausstoß bis 2007 senken, auf 495 Millionen bis 2012.

Anschließend sprach Clement von einem „sehr guten Ergebnis“ und selbst Trittin von einem „ordentlichen Kompromiss“. Tatsächlich konnte Clement zufriedener sein als Trittin. Gemessen an dem Kompromissvorschlag aus dem Kanzleramt, den er vor zwei Wochen harsch ablehnte, hat nur Trittin weitere Zugeständnisse machen müssen.

Im Herbst hatte sich Clement bei dem Versuch, die Förderung der Windenergie zu kappen, an Trittin und den Koalitionsfraktionen noch die Zähne ausgebissen. Darauf hatte auch der Kanzler in den Verhandlungen gestern hingewiesen.

Entsprechend zurückhaltend reagierten die Grünen: „Wir haben gekämpft und das Erreichbare erreicht“, sagte der grüne Parteichef Reinhard Bütikofer im taz-Interview. Das Klima in der Koalition sei jedoch „etwas rauer geworden“. „Die Industrie muss nur ein Drittel von dem bringen, was sie laut ihrer Selbstverpflichtung hätten bringen müssen“, sagte der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske der taz. „Das ist ziemlich wenig.“ Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Winfried Hermann, sprach gar von „einem schlechten Kompromiss“. Er läge „knapp über der Grenze zum Nichtstun“.

SPD-Fraktionsvize Michael Müller sieht in der Einigung „kaum noch ein positives Signal“ für den Klimaschutz. Noch ist unklar, ob die Fraktionen von SPD und Grünen nachbessern wollen. Gestern sah es nicht danach aus. Kritik übten auch die Umweltverbände. Der Nabu-Präsident Olaf Tschimpke sprach von einem „Kniefall vor den Interessen der Industrie“. Die hingegen begrüßte den Kompromiss, obwohl sie bislang sehr viel mehr Emissionsrechte verlangt hatte.

RWE-Vorstand Gert Maichel sprach von einer sachgerechten Lösung. Der Verband der Stahlindustrie erklärte, seine Unternehmen könnten „nun offenbar weiter in Deutschland Stahl produzieren“. BDI-Chef Michael Rogowski erklärte: „Wir können alle Herrn Clement sehr dankbar sein.“ MATTHIAS URBACH

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