‚Unter Tage‘ locken Persiens Schätze

Das Bochumer Institut für Montanarchäologie wühlt sich akribisch durch historische Stollengänge. In den bronzezeitlichen Metallminen Mittelasiens kamen die Forscher jetzt der sagenhaften Göttin Anahita auf die Spur

Die spätantiken Perser sahen in der Höhle ein Heiligtum – ihre Vorfahren nutzten sie profan als Kupfermine

Am Anfang stand die Erforschung von Erzminen in West-Zentral-Iran. Kaum zu glauben, aber diese uralte Kulturregion mit einer der frühesten Metallindustrien wurde bis vor kurzem noch nie montanarchäologisch untersucht. „Es gibt dort einfach zu viele wertvolle archäologische Stätten, als dass man sich Gedanken über alte Bergwerke gemacht hätte“, so Gabriele Körlin aus dem Team der Bochumer Montanarchäologen. Das montanarchäologische Institut ist angesiedelt im Bergbaumuseum der Revierstadt und gehört zur so genannten Blauen Liste der bundesweit besonders förderungswürdigen freien Forschungseinrichtungen.

Im Jahr 2000 begannen die Bochumer in enger Kooperation mit den iranischen Kollegen von der Iranian Cultural Heritage Organization und dem Geological Survey of Iran nach über zwei Jahrzehnten Funkstille überhaupt wieder mit archäologischen Studien unter deutscher Beteiligung in dem mittelasiatischen Land. Die Erforschung der iranischen Kupferminerale und ihrer Nutzung in der Antike stellt zur Zeit eines der wichtigsten Bochumer Forschungsvorhaben dar. Hauptziel der Arbeiten ist eine interdisziplinär begleitete, langfristig angelegte montanarchäologische Untersuchung der bronzezeitlichen Reviere in der Region, die zu den metallreichsten der Erde zählen.

Details über Abbautechnik, Verhüttung, Weiterverarbeitung und Handelsbeziehungen rund um das Metall sind aber bisher kaum bekannt. Von besonderem Interesse ist dabei auch die Bedeutung dieser Bodenschätze für die Entwicklung der angrenzenden frühesten Hochkulturen Mesopotamiens. Die Bochumer Montanarchäologen konzentrieren sich bei ihrer Arbeit auf eine Region südwestlich von Teheran.

Die Bergwerke von Veshnoveh liegen in einem Gebirgszug zwischen der heiligen Stadt Ghom und Kashan. Nach ersten Voruntersuchungen hatte man einen Eindruck von der Größe und Bedeutung des Reviers erhalten. Der urgeschichtliche Bergbau wurde in mehr als 60 Gruben betrieben. Die Kupfererzproduktion der Bergwerke von Veshnoveh dürfte nicht nur eine der ältesten im Mittleren Osten gewesen sein, sondern auch eine der wichtigsten. Einige Stollen-Ausgänge der bis ins 3. oder 4. vorchristliche Jahrtausend datierten Bergwerke liegen leicht zugänglich an Berghängen, in einer Höhe von etwa 2.200 bis 2.250 Metern, vermutlich dort, wo die Kupfererzadern an die Oberfläche stießen. Mancherorts sind sogar noch einige Halden vor den Mundlöchern erhalten geblieben. Hier lassen sich Schlägel, Keramik oder Mühlen finden.

Im Folgejahr 2001 begann eine erste montanarchäologische Grabungskampagne, die erste dieser Art im Iran überhaupt. Eine echte Überraschung erlebten die Bochumer Archäologen im Grubenkomplex 2/6 in Chale Ghar. Die im Steilhang gelegene Grube war mit etwa zwei Metern Sediment bedeckt. Neben natürlicher Sedimentbildung sind mehrfach kurzfristige oder eine längerfristige Nutzungen etwa als Wohnhöhle bezeugt. Erst in den untersten Schichten fand man wieder typische Merkmale vorgeschichtlichen Bergbaus. In Chale Ghar wurde sehr schnell deutlich, dass die auffällige Häufung archäologischer Artefakte nichts mit der bronzezeitlichen Erzgewinnung, sondern mit einer jüngeren Nachnutzung dieser „höhlenartigen“ Grube zu tun hat. In einem Grabungsschnitt im tiefsten Grubenbauteil kamen Schmuckgegenstände wie Ohr- und Haarringe, Fingerringe, Perlen, Gewandbesatz aus Gold, Silber, Bronze und Halbedelsteinen sowie eine ganze Menge von Keramikgefäßen zum Vorschein.

Viele dieser Funde werden ab November in einer großen Ausstellung im Deutschen Bergbau Museum zu sehen sein. Sie stammen allesamt aus der Zeit der Parther und der Sassaniden, Völkern des vorislamischen Persiens. Die wertvollen Funde datieren etwa zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert nach Christi. Besonders die Gefäße und einzelne Perlen zeigen, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg in der alten Erzgrube niedergelegt wurden.

Nur warum taten die spätantiken Perser dies? Ganz offensichtlich verehrten die damaligen Menschen die Höhle, von der sie wohl nicht einmal wussten, dass ihre Vorfahren sie als Kupfermine nutzten, als Heiligtum. Vor allem in den Frühlingsmonaten stand und steht die alte Zeche bis in die heutige Zeit unter Wasser. Und da Wasser als überlebenswichtiges Gut in einer wüstenartigen Umgebung damals göttliche Anbetung genoss, brachte man in der Höhle Opfer dar.

“Offenbar warf man das Opfergut direkt in das Wasser hinein“, erläutert Gabriele Körlin die Funde. So wollten die Menschen die Fruchtbarkeits-, Wasser- und Muttergöttin Anahita milde stimmen und um ausreichend Regen bitten.

HOLGER ELFES