NRW siedelt unter der Sonne

Schon in neun Siedlungen nutzen Bürger Sonnenergie und sparen Strom, Wärme und Geld. Sie lernen auch, ihre Gewohnheiten zu ändern und mit der kostbaren Energie sparsam umzugehen. Die Landesregierung baut 41 weitere Solarprojekte

von SALVIO INCORVAIA

„Wir wohnen umweltbewusst, sparen Geld und leben in einem außergewöhnlichen Haus“, sagt Martina Jeromis. Stolz deutet sie auf ihr grünfarbenes Holzheim mit Grasdach und den blau-silbernen Sonnenkollektoren. Außergewöhnlich ist aber nicht nur Jeromis Haus: Alle Häuser in der Siedlung sind umweltfreundlich.

Martina und Thomas Jeromis und ihre vier Kinder leben in einem der neun fertiggestellten Solarsiedlungen in NRW. Die Familie zog 1999 in eines der in Holzständerbauweise errichteten, modernen Niedrigenergiehäuser im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck. Das Haus hat es in sich: große Fensterflächen, eine spezielle Wärmedämmung und alle Wohnräume sind nach Süden ausgerichtet.

„Hier zu wohnen ist ein ganz neues, ein anderes Lebensgefühl“, sagt Martina Jeromis. Sie würde jederzeit wieder in so eine Siedlung ziehen. Die 72 roten, grünen, blauen und gelben Holzhäuser gehören neben der Siedlung Borghorst in Steinfurt zur ersten Solarsiedlung in NRW. Beide Projekte bildeten den Auftakt für das „50-Solarsiedlungen-Programm“ der rot-grünen Landesregierung.

„NRW ist führend in der staatlichen Förderung zur Umsetzung von Solarsiedlungen“, sagt Uwe Burghardt, Sprecher der Landesinitiative Zukunftsenergien. Die Initiative der Landesregierung fördert den Bau dieser Solarsiedlungen. Dabei setzt das Land auf die Eigeninitiative von Privatunternehmer und Kommunen.

Städte und Bauherren melden sich gemeinsam mit ihren Plänen zum Bau einer Solarsiedlung an. Anschließend werden Planungsunterlagen ausgearbeitet, die von einer Auswahlkommission beurteilt werden. Geprüft und überwacht wird der Aufbau vom Landesinstitut für Bauwesen. Die neugebauten oder modernisierten Siedlungen müssen mindestens zwei von drei Anforderungen erfüllen.

Der Jahresheizwärmebedarf muss 60 Prozent unter dem Bedarf der Wärmeschutzverordnung von 1995 liegen. Die auf den Dächern produzierte Solarenergie muss mindestens zwei Drittel des Warmwasserbedarfs decken. Darüber hinaus müssen die Solaranlagen mindestens ein Drittel des Jahresstromverbrauchs produzieren und die Häuser sollten möglichst mit ökologischen Baustoffen erbaut, gut am öffentlichen Nahverkehr angebunden sein und nahe gelegene Einkaufsmöglichkeiten bieten.

Wenn die Landeskommission einem Bauvorhaben das Prädikat Solarsiedlung verliehen hat, fließen REN-Fördermittel (Rationelle Energieverwendung und Nutzung unerschöpflicher Energiequellen) des NRW-Städtebauministeriums. Gleichzeitig empfiehlt die Landesregierung den Kommunen, für solche Projekte billiges Bauland zur Verfügung zu stellen.

Familie Jeromis hat ihre Heiz- und Lüftungsgewohnheiten verändert. Denn jetzt ist der Einfluss auf die eigene Heizkosten- und Stromabrechnung besonders groß. „Wir Lüften nicht mehr so wie früher“, sagt Martina Jeromis. Ein Belüftungssystem sorge nun für frische Lust, die Fenster müssen nicht mehr geöffnet werden.

Der TÜV Rheinland hat den Energie- und Wärmeverbrauch der Bewohner der Gelsenkirchener Siedlung begleitet. So konnten sie die noch ungewohnte Technik besser ausnutzen und Energie einsparen. In weiteren Solarsiedlungen soll jetzt das Verhalten der Verbraucher untersucht werden. Auf die Aufklärung der Bewohner wird besonders viel Wert gelegt: „Wir wollen verhindern, dass die Bewohner nach einiger Zeit in alte Gewohnheiten zurückfallen“, sagt Andreas Gries, Hauptkoordinator der Landesinitiative. Zur Zeit werde mit dem TÜV ein Konzept ausgearbeitet.

„Wir werden bestimmt nicht mehr in alte Gewohnheiten zurück fallen“, sagt Martina Jeromis. Schon der Kauf dieser Häuser habe sich gelohnt. Denn die Kosten für die Häuser waren kaum höher als bei einem Normalhaus. In der Solarsiedlung in Gelsenkirchen kosteten die Häuser zwischen 167.000 und 235.000 Euro.

Die Neusiedler haben in den vergangenen Jahren ihre eigenen Erfahrungen mit den Solarhäusern gemacht. So hat Familie Jeromis festgestellt, dass die standardisierten 5,5 Quadratmeter Kollektorfläche für die solarthermische Warmwasserversorgung knapp bemessen sind, wenn mehr als zwei Personen im Haus leben. In der Familie wird über eine größere Fläche nachgedacht.