Schmiergeld in Jakarta …

… jubelnde Fans in Seoul, verbotenes Bier in Taschkent, Angst vor räuberischen Polizisten in St. Petersburg, Udo Lindenberg in Peking, und überall Starbucks und blonde Frauen: Ein Gespräch mit den Berliner Musikern Barbara Morgenstern und Maximilian Hecker über ihre Tournee um die Welt

Interview JAN KEDVES

taz: Habt ihr sofort zugesagt, als ihr vom Goethe-Institut das Angebot bekommen habt, diese Welttournee zu machen und in 34 Städten aufzutreten?

Maximilian Hecker: Wir waren sofort fest entschlossen, weil es ja auch eine Gelegenheit war, mal rauszukommen.

Barbara Morgenstern: Für mich war das wie ein Riesenlottogewinn.

Flugangst habt ihr jetzt wohl nicht mehr.

Morgenstern: Ich habe mich vorher bei Flügen immer unwohl gefühlt, aber als die Tour losging, war’s komischerweise weg.

Die Konzerte waren ja so komprimiert in so kurzer Zeit, könnt ihr euch überhaupt noch an einzelne Abende erinnern, die besonders gut oder schlecht waren?

Morgenstern: Wir haben vor den Konzerten immer Schnick-Schnack-Schnuck gespielt, wer als Erstes drankommt. Manchmal sind die Leute bei Maxi ausgeflippt, manchmal bei mir.

Toll waren vor allem die Orte, wo man gemerkt hat, dass die Leute die Musik lieben. Buenos Aires war zum Beispiel super, Tel Aviv auch. Oder Korea, wo Maxi und seine Musik sehr bekannt sind. Ein Horror war Schanghai, weil da die Anlage kaputt war. Aber das hat ja nichts mit dem Publikum zu tun.

Hecker: Ach ja, Schanghai. Da war ich richtig krank und hab das Konzert irgendwie schlafwandlerisch über die Bühne gebracht. Dort am Flughafen haben wir eine Frau kennen gelernt, die ganz außer sich war, Deutsche zu treffen. Sie hatte eine Tasche mit einem Anzug für Udo Lindenberg und bat uns, sie mit nach Peking zu nehmen. Udo Lindenberg hat in Peking ein Konzert gespielt. Ben Becker war auch dabei, als Moderator.

Morgenstern: Herausragend fand ich das Konzert in Taschkent. Die Leute dort hatten von uns zwar noch nie was gehört, aber die waren so ausgehungert, weil dort sonst niemand hinkommt, die haben geschrien!

Am nächsten Tag hat uns jemand gesagt, dass unser Auftritt für Wirbel gesorgt hat, weil einer meiner Musiker auf der Bühne Bier getrunken hat. Das ist in Usbekistan sonst verboten.

Wie kommt es, dass du in Südkorea bekannt bist, Maximilian?

Hecker: Ich habe dort eine Plattenfirma.

Wie fühlt sich das an, wenn man zum ersten Mal nach Südkorea kommt, und da stehen dann Fans, die Texte mitsingen?

Hecker: Um ehrlich zu sein, fand ich das ganz normal. Das soll jetzt nicht arrogant klingen. Ich reagiere auf viele Sachen mit einer trotzigen Haltung, um meine Füße am Boden zu halten.

Laut Goethe-Institut war es eure Aufgabe, ein „lebendiges, attraktives Deutschland“ zu repräsentieren.

Morgenstern: Bei Konzerten ist es aber nicht so, dass die Leute da hinkommen und sagen: „Oh, jetzt gucke ich mir das neue Bild von Deutschland an.“ Die kommen zum Konzert, um die Musik zu genießen. Das war unsere Aufgabe, nicht mehr. Das hat uns auch das Goethe-Institut so vermittelt, was ich auch gut fand. Und das Interesse ist da. Meine Labelchefin Gudrun Gut hat zum Beispiel mal gesagt, dass sie viele Leute kennt, die wegen den Einstürzenden Neubauten Deutsch gelernt haben.

Das Motto der Reise war: „Neue Musik aus Berlin“. Habt ihr euch auf dieser Tour nicht vor einen Karren gespannt gefühlt?

Hecker: Also, ich habe das mit dem Berlin-Hype zwar zu spüren bekommen, weil viele Leute dachten, ich würde elektronische Musik machen. Aber das war kein Problem. Was sollen die Leute auch machen? Je weiter man weg ist, desto natürlicher ist es, dass man Sachen einordnet.

Morgenstern: Ich hab da auch kein Problem mit. Es wäre ja auch schwierig gewesen, irgendwohin zu fahren und dort dann zu sagen „Dieser blöde Berlin-Hype!“.

Wenn man so viele Metropolen gesehen hat wie wir jetzt, merkt man auch, dass Berlin wirklich einmalig ist. Ich war jedenfalls absolut froh darüber, wieder zurückzukommen. In Städten wie Peking gibt es zum Beispiel einfach diese Form von Independent-Musik nicht, weil die Leute auch nicht die finanziellen Möglichkeiten haben. Wir sind hier in einer sehr privilegierten Situation, dass wir uns so eine Off-Kultur überhaupt leisten können.

Lässt sich sagen, ob und wie euch diese Welttournee musikalisch inspiriert hat?

Hecker: Bei mir nicht. Musikmachen ist bei mir ein Prozess, der nur sehr wenig mit der Umwelt zu tun hat. Ich sitze vor meinem Klavier und kämpfe gegen die Tasten, da ist es ganz egal, wo das passiert.

Morgenstern: So eine Reise verändert einen natürlich schon, aber ich glaube, das merkt man nur subtil. Aber es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass man seine Sachen auf der ganzen Welt gespielt hat und dass das funktioniert. Das wird mich auf jeden Fall beflügeln.

Barbara, bei deinem letzten Tagebucheintrag auf der Website des Goethe-Instituts war zu lesen: „Wir haben gespürt, dass die westlichen Industrienationen ihre Interessen global vertreten“ …

Morgenstern: Ja, ich hab unterwegs wirklich gemerkt, dass Läden wie McDonald’s, Starbucks oder HMV die Welt zu einem Einheitsbrei machen. Das hat mich extrem angekotzt. Ich kann nicht verstehen, warum es überall wahnsinnig schick ist, westlich zu sein. Überall sind die Frauen auf den Zeitschriften groß und blond, egal ob in Indien oder Asien. Das ist frappierend.

Hecker: Andersrum macht man sich aber auch selten Gedanken darüber, wie das eigentlich ist, wenn man allein in einer fremden Stadt ist, die Sprache nicht kann und Hunger hat. Also ich war ein paar Mal bei McDonald’s und Starbucks und fand’s toll.

Gab es unterwegs mal eine Situation, in der ihr Angst um euer Leben hattet?

Hecker: Ja, in St. Petersburg. Da wurde ich von Polizisten ausgeraubt. Ein Polizist hat mich beobachtet, wie ich meinen Urindrang an einem Baum erleichterte, und dann hat er seine Kumpels gerufen. Die haben mir 900 Euro und das Handy abgenommen. Danach wollte ich das Hotel erst mal nicht mehr verlassen.

Morgenstern: Und in Jakarta ist unser Auto angehalten worden. „Aussteigen! Sie haben keine Pässe! Wir nehmen sie mit ins Gefängnis!“ Da ging’s um Schmiergeld. Ich fand das extrem unangenehm, der Willkür einzelner Leute so ausgeliefert zu sein. Wie Maxi ja auch in St. Petersburg.

Gibt es eine Stadt, die ihr im Rahmen dieser Tour gerne noch besucht hättet?

Morgenstern: Rio de Janeiro.

Hecker: Reykjavík. Und Helsinki.

Morgenstern: Ja, da wäre ich auch gern gewesen. Und Moskau.

Hecker: Nein, ich nicht. Nie wieder Russland.