Kein Protest in der City

Russisches Parlament stimmt in erster Lesung für eine massive Einschränkung des Demonstrationsrechts

MOSKAU taz ■ Das russische Parlament, in dem der Kreml die absolute Mehrheit hat, stimmte gestern in erster Lesung für ein Gesetzt zur Einschränkung des Demonstrationsrechts. In Vorwegnahme der Verschärfung hatte die Polizei am Morgen der Sitzung mehrere Mitglieder der liberalen Partei Jabloko und der Jungkommunisten verhaftet, die vor der Duma demonstriert und Plakate mit Aufschriften wie „Nein zum Polizeistaat“ hochgehalten hatten.

Gemäß der Vorlage sollen künftig Kundgebungen vor Regierungsgebäuden, ausländischen Botschaften, in großen Straßen oder vor gefährlichen Objekten verboten werden – aus Sicherheitsgründen. 294 Abgeordnete der Kreml-Partei Vereintes Russland stimmten für die Vorlage, 137 Vertreter der Kommunisten, der nationalistischen Heimatpartei und der Liberaldemokraten dagegen. Die Vorlage lasse keinen Platz für Opposition, kritisieren die Kommunisten, „das Dokument erlaubt den Behörden, Kundgebungen zu organisieren und zu kontrollieren“. Die Liberaldemokraten des Ultranationalisten Schirinowski gaben zu Protokoll, es sei absurd, Proteste vor jenen Behörden zu verbieten, von deren Entscheiden die Menschen abhängen.

Bürgerrechtsgruppen warfen dem Kreml vor, mit dem neuen Gesetz das Demonstrationsrecht zur Farce zu machen. Wie alle ähnlichen Vorlagen zur Einschränkung der Freiheitsrechte ist auch diese sehr dehnbar gehalten. So lässt das Gesetz laut Kritikern den Begriff „anliegendes Territorium“ undefiniert. Mehr Macht hat die Duma der Polizei gestern noch in einer anderen Sache verliehen. Wie nach dem Anschlag auf die Metro im Februar mit 40 Toten angekündigt, ist in Russland die Frist verlängert worden, in der gegen eine inhaftierte Person Anklage erhoben werden muss. Terrorismusverdächtige können künftig 30 statt 10 Tage ohne Anklage in Haft gehalten werden. Mit 334 Jastimmen war die Vorlage durchgegangen. Einzig der kommunistische Abgeordnete Wiktor Iljuchin hatte die Vorlage als Einschränkung von Menschenrechten und Freiheiten der Bürger kritisiert. ZITTA AFFENTRANGER