Versprechen nicht eingelöst

Mit Filmchen aus der Computerkonserve versuchen Jochen Dehn und Monika Gintersdorfer beim Kampnagel-Festival „Feuer und Flamme“ vergeblich, ihr Publikum in experimentelle Salonstimmung zu versetzen

Ein junger Mann geht eine Brücke entlang. Neben ihn rauschen die Autos, irgendwo in Hamburg. Da springt ihn ein anderer von hinten an, ein zweiter stürmt von vorn hinzu. Er wehrt sich. Sie zerren ihm die Kleider vom Leib, nur die Feinrippunterhose lassen sie ihm. Alle drei rennen plötzlich in dieselbe Richtung aus dem Bild. „Und dann“, so komplettiert der Aktionsregisseur Jochen Dehn, an den Kampnagel-Tresen gelehnt, seinen Film, „verfolgten uns vier Polizeiwagen. Eine Beamtin war besonders scharf, doch als wir sagten, es sei Kunst, war sie beruhigt.“

So reiht sich Filmchen an Filmchen auf der Veranstaltung „Rekolonisation“ beim Kampnagelfestival „Feuer und Flamme“. Die Zuschauer lümmeln sich auf den schwarzen Matratzen, die auf Podesten verteilt sind. Es handelt sich hier um ein Projekt im Prozess. Längen sind also zu erwarten gewesen. Dass jedoch kein einziger Text seine Pointe findet, befremdet. Zumal die RegisseurInnen Dehn und Gintersdorfer keine Newcomer sind, sondern schon einige Arbeiten etwa am Thalia Theater vorzuweisen haben. Ihre Minifilme, bewegte Lomoästhetik, sollen provozieren. Da springt eine Horde Menschen in die Alster, um einer Barkasse entgegenzuschwimmen, da entern sie einen Wal Mart und verursachen in den Gängen Einkaufswagenstaus. Doch die Kamera schaltet immer dann ab, wenn es zur Konfrontation kommen könnte: Wenn die Polizei droht oder wenn Passanten Anstoß an den Alsterschwimmern nehmen könnten. Deshalb bleiben die Filmchen zu lieb, ihr Versprechen der symbolischen Neubesetzung des Aktionsraums Hamburg uneingelöst.

Am Anfang stand eine gute Idee: Eine Woche lang mit einer Digitalkamera durch die Stadt zu laufen, um kleine Aktionen zu filmen. An der inhaltlichen Umsetzung müssen sie noch hart arbeiten. Die Lomo-Bildästhetik bietet schon jetzt ungewohnte Blickwinkel, etwa, wenn der beturnschuhte Mann auf dem Steingeländer der Ernst-Merck-Brücke entlangläuft, anfangs ganz Turnschuh, und zum Schluss erst in der Totale der Abgrund. Da macht das Hingucken Spaß, und die schlechte Qualität der auf die Leinwand gebeamten Computerbilder stört nicht. Doch spätestens als Jochen Dehn sein Publikum mit einer obskuren Zeichnung und wirren Worten in die Kunst des Zylinderschlossknackens einweist, ist es Zeit für ein Nickerchen auf der schwarzen Matratze.

Katrin Jäger

Weitere Vorstellung: 8.4., 21 Uhr, Kampnagel