Haarsträubende Geste

Aggressiver Auftakt: Hitler-Collage mit dem Konterfei von Universitäts-Präsident Jürgen Lüthje entfacht zu Semesterbeginn heftigen Streit mit streikenden Studierenden. Langzeitgebühr treibt bisher 850 Studierende in die Exmatrikulation

Von EVA WEIKERT

Jürgen Lüthje ist erzürnt. Der Zwist zwischen dem Universitäts-Chef und den streikenden Studierenden hat gestern pünktlich zu Semesterbeginn einen neuen Höhepunkt erreicht. Streitgegenstand sind zwei Collagen, die Lüthje als Adolf Hitler darstellen und laut Uni-Leitung am Morgen in der Streikzentrale gefunden wurden. Die Hitler-Collagen verunglimpften nicht nur in „verabscheuungswürdiger Weise“ den Präsidenten und sein Amt, sondern verharmlosten zugleich die Verbrechen der NS-Diktatur, empörte sich der Senat der Hochschule noch am nachmittag. Lüthje kündigte an, Strafanzeige zu stellen.

Der Uni-Pressestelle zufolge ist Lüthjes Konterfei in zwei Abbildungen Hitlers montiert. Darauf hebe der Massenmörder in NS-Uniform gerade seinen Arm zum Gruß. Daneben stünde der Name Lüthjes und die Worte „Eliten jetzt“. Die Fotocollagen hingen laut Uni-Pressestelle bis gestern in den Räumen der Streikzentrale auf dem Campus, bevor Mitarbeiter der Hochschule sie entdeckten und entfernten.

Die Streikzentrale wies jegliche Verantwortung zurück. „Hier hängt nichts“, sagte Sprecher Niels Kreller der taz. Zugleich betonte er, die Fotocollagen seien nicht von der Streikzentrale angefertigt worden. „Es mag ja eine gewisse Gegnerschaft zum Präsidenten geben“, räumte Kreller ein, „aber wir halten ihn bei weitem für keinen Faschisten.“

Uni-Sprecher Peter Wiegand kündigte derweil an, der Präsident werde die Aktion „nicht so stehen lassen, sonst verliert die Universität an Glaubwürdigkeit“. Lüthje erstatte Strafanzeige gegen Unbekannt. Das wäre bereits die zweite im aktuellen Uni-Protest. So hatte Lüthje kürzlich Strafantrag gestellt, nachdem Studierende eine Pressekonferenz in seinem Büro zu sprengen versuchten. Der seit Januar andauernde studentische Protest wendet sich gegen die Hochschulreform von Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos), die neben Hochschulräten Studiengebühren sowie Studienplatz- und Fächerabbau vorschreibt.

Ihren Widerstand gegen die Einschnitte brachten streikende Studierende gestern auch in der traditionellen Begrüßung der Erstsemester durch den Uni-Chef vor. Auf Transparenten riefen sie die Neulinge im Audimax auf, gemeinsam „gegen Bildungs- und Sozialabbau und die Ökonomisierung der Bildung“ zu kämpfen. Lüthje verliehen die Streikenden ein symbolisches „Ehrenordinariat für Unterordnung“. Dies habe sich der Präsident verdient, sagte Streik-Aktivist Kreller, weil er die Politik des Rechts-Senats „durchsetzt, die auf Elitebildung abzielt und an Profit orientiert ist“. Vergeblich forderten die Streikenden Lüthje auf, auf der Bühne eine Amtskette und einen Talar anzulegen.

Zu Semesterbeginn gab die Hochschule gestern auch erstmals Zahlen über Exmatrikulationen infolge der neuen Gebühren für so genannte Langzeitstudierende bekannt. Demnach haben sich bisher rund 850 Studierende wegen der 500-Euro-Abgabe nicht zurückgemeldet, mehr als die Hälfte von ihnen war laut Uni-Pressestelle mindestens im 30. Semester eingeschrieben.

Ebenfalls etwa 850 Studierende konnten bisher Befreiungsgründe geltend machen und müssen nicht überweisen. Insgesamt rechnet die Uni damit, aufgrund der Maut etwa zehn Prozent ihrer derzeit 38.000 Uni-Studierenden zu verlieren.