Hingebungsvoll verzweifelt

Einer jahrzehntelang von schnödem Rock‘n‘Roll geschändeten Sprache die ihr gebührende Gewalt antun: ,,The Kills“ und Adam Green überarbeiten im Molotow auf jeweils eigene, durchaus bemerkenswerte Weise den Blues

Die Wiederbelebung des toten – oder eher totgesagten? – Hundes namens Blues außerhalb seiner ganz und gar regeltreuen Reservate hat bereits vor einiger Zeit begonnen. Ob mit Jon Spencers Blues Explosion, Boss Hog oder zuletzt den im vergangenen Jahr bejubelten Yeah Yeah Yeahs: In coole Riffs verliebte Simplizität, die ordentlich in den Hintern tritt, ist wieder voll angesagt – auch und gerade bei großstädtischen Hipstern.

Das Erfolgsrezept dieser stilistischen Renaissance besteht dabei in der Verbindung mehr und mehr entschlackter, traditioneller Bluesrhythmen mit der Expressivität des Punkrock – und das unter Aufnahmebedingungen, für welche klassische Lo-Fi-Ideale als oberste Grenze des Wohlklangs gelten.

Das Duo The Kills kann nun als der neueste Schrei dieses eigentlich gar nicht mehr so neuen Phänomens angesehen werden. Alison Mosshart und Jamie Hence nennen sich VV und Hotel und haben verstanden, dass es auch bei dieser Art des wiederbelebten Blues nicht vorrangig um Virtuosität oder komplizierte Inhalte, sondern um den Gestus gnadenloser Hingabe an die eigene Verzweiflung geht. Die sich aufdrängende Frage ist natürlich, ob im Fall von The Kills die Referenz tatsächlich bei T-Model Ford und R.L. Burnside zu suchen ist – oder nicht doch vielmehr bei den Dead Kennedys? Denn ein Stück wie „Fuck the People“ hätte deren streitbarer Ex-Frontmann Jello Biafra sicherlich mit kaum geringerem nihilistischen Enthusiasmus vorgetragen.

Ähnlich wie die Captain Beefheart-Aficionados von The Black Keys versuchen The Kills deshalb auf ihrem Debütalbum Keep On Your Mean Side gar nicht erst, ihren rauen Bluessound in irgendeiner Weise zu verfeinern oder zu verfremden. Das wäre wahrscheinlich auch nur schwer möglich angesichts ihrer Ausrüstung: Die besteht aus einer beim letzten Flohmarktbesuch erworbenen Gitarre, einem schwer nach Eigenbau klingendem Bass und etwas Schlagzeugartigem, das, gäbe es da nicht einen Takt vorzugeben, im Grunde überflüssig wäre.

Die spartanischen Arrangements in ihrer lauten und krachigen Attitüde entwickeln ihren geradezu hypnotischen Reiz in erster Linie durch das röhrende Organ von Sängerin Alison. Da wird wieder klar, mit welcher Intensität einer jahrzehntelang vom schnöden Rock‘n‘Roll geschändeten Sprache rein akustisch die ihr gebührende Gewalt angetan werden muss.

Begleitet werden The Kills auf ihrer derzeitigen Tournee von Adam Green. Der war Mitglied der Moldy Peaches und dürfte, vergegenwärtigt man sich seine jüngst erschienene Soloplatte, mit einem hübschen Set seiner von Pop und Folk inspirierten Songs aufwarten. In seinen Texten ist auch schon mal von „Mozzarella Swastikas“ und anderen Seltsamkeiten die Rede; seine stark karikierte Form von Blues ist zwar auch nicht wirklich neu – gut ist sie trotzdem.

MATTHIAS SEEBERG

Mittwoch, 28.5., 21 Uhr, Molotow