Zum Spielfilm führte kein Weg

Wiener Avantgardefilme der 60er Jahre: In zwei Programmen zeigt das Metropolis unter dem Titel „Erweitertes Kino“ von Hans Scheugl zusammengestellte Beispiele von 1955 bis 1970

Die vor allem in Hollywood entstandenen Beiträge zur Filmgeschichte von Regisseuren, die aus Wien stammen – von Fritz Lang, Billy Wilder über Otto Preminger bis hin zu Edgar G. Ulmer – sind inzwischen ausgiebig gewürdigt worden. Relativ unbekannt ist bis heute der Wiener Avantgardefilm der fünfziger und sechziger Jahre geblieben. Einige seiner Protagonisten sind den meisten denn auch weniger mit ihren damals entstandenen Filmen im Gedächtnis als durch Bücher wie Hans Scheugls Sexualität und Neurose im Film oder durch die Gründung des New Yorker Anthology Film Archive. Bei dessen Kinosaal hat Peter Kubelka so peinlich genau auf die Möglichkeit hundertprozentiger Abdunklung geachtet wie wohl niemand vor oder nach ihm.

Dass von den Regisseuren der Wiener Filmavantgarde kein einziger den Weg vom Experimental- zum Spielfilm und damit zu einem breiteren Publikum gefunden hat, erklärte Alexander Horwarth, der Leiter des Österreichischen Filmmuseums, bei der letztjährigen Berlinale-Retrospektive „European 60s“, plausibel mit dem Fehlen eines Schubes, wie ihn in Deutschland das Oberhausener Manifest von 1962 ausgelöst hat. Stattdessen entwickelte sich in Österreich einerseits eine ganz eigene Schule des Experimentalfilms, die sich bis heute fortsetzt – etwa mit den virtuosen, wenn auch manchmal etwas enervierenden Arbeiten eines Peter Tscherkassy. Andererseits haben Michael Haneke und Ulrich Seidl erst in den letzten Jahren vieles von dem nachgeholt, was Alexander Kluge und Rainer Werner Fassbinder in den 60er und 70er Jahren fürs deutsche Kino leisteten.

Die nun in zwei Programmen zu sehenden Filme, die bei aller Sprödheit überraschend lebendig geblieben sind, wurden von Hans Scheugl zusammengestellt, der nun auch ein umfassendes Buch (Erweitertes Kino – Die Wiener Filme der 60er Jahre, Triton Verlag) zum Thema geschrieben hat. „Erweitertes Kino“: streng genommen bedeutet das natürlich – von entsprechenden Bewegungen in der bildenden Kunst abgeleitet – dass die Grenzen der Leinwand gesprengt werden und sich die Filmvorführung zu einem Happening erweitert, bei dem der Film vom Zuschauer schon mal buchstäblich erfühlt oder ertastet werden muss. Darauf braucht man sich im Metropolis diesmal nicht einzustellen. Ebenso wenig auf Filme wie etwa Hans Scheugls zzz:hamburg special von 1968, bei dem statt eines Filmstreifens ein Zwirnsfaden durch den Projektor läuft. Ob es den noch irgendwo gibt? Verglichen damit also schon fast wieder „normale“ Filme, wie Scheugls dreiminütiger Wien 17, Schumanngasse oder Kubelkas 1955 entstandener Mosaik im Vertrauen, der früheste Film im Programm. Mit jeweils mehreren Arbeiten vertreten sind Kurt Kren (5/62: Fenstergucker, Abfall, etc.) und Ernst Schmidt jr. (Denkakt), deren Titel schon unmissverständlich klar machen, dass hier gar nicht erst versucht wird, auf traditionelle Weise etwas zu erzählen oder zu dokumentieren, sondern vielmehr auf essayistische und/oder experimentelle Weise die filmischen Ausdrucksmöglichkeiten bis an ihre Grenzen ausgetestet werden sollen. Eckhard Haschen

„Erweitertes Kino“, Programm 1: Do, 19 Uhr; Programm 2: Do, 21.15 Uhr, Metropolis