Der Männerversteher

Der Bremer Professor Gerhard Amendt hat sich mit einer Vorlesung vom Uni-Betrieb verabschiedet. Doch die Forschung geht weiter. Sein Thema: Väter und wie sie eine Scheidung erleben

taz ■ Der Mann war voll des Dankes gegenüber dem Bremer Professor Gerhard Amendt. „Meine Scheidung liegt zwar schon 20 Jahre zurück, aber Ihre Vorlesungen waren sehr wichtig für mich.“ In Zukunft wird er den Geschlechterforscher seltener live hören können, denn am Montagabend hielt der 63-Jährige seine Abschiedsvorlesung, in der er Ergebnisse seiner Studie über Scheidungsväter vorstellte.

Und das vor vollem Haus. Mehr Männer als Frauen waren gekommen, um zu hören, dass auch Männer unter Scheidung und vor allem der Trennung von ihren Kindern leiden. „Doch das ist für die meisten Menschen schwer zu ertragen“, so Amendt. Immer noch herrsche das Bild von der Frau als Opfer und dem Mann als Täter vor. Dabei seien Männer genauso Opfer von Beziehungsgewalt wie Frauen, behauptet Amendt. In 60 Prozent aller Fälle hätten die Frauen mit Handgreiflichkeiten angefangen. „So erleben das jedenfalls die Männer.“

Der Professor weiß, dass solche Aussagen viele Menschen auf die Palme bringen. „Viele fühlen sich persönlich angegriffen, wenn ihre Vorstellungen von Männern empirisch widerlegt werden.“ Doch am Montag regte sich niemand auf, vielleicht auch deshalb, weil Amendt auf die Kritik eingeht, bevor sie fällt. So stellt er klar, dass es um das persönliche Empfinden der Männer geht und nicht darum, 30 Jahre nach der Frauenbewegung zurückzutreten.

Amendt bezeichnet sich als Querdenker, der manchmal eben Sachen herausfinde, die „erst zehn bis 15 Jahre später“ wirklich diskutiert würden. Häufig äußerst konfliktreiche Themen wie Abtreibung oder künstliche Befruchtung. Feinde schuf sich der ehemalige Leiter der Bremer Pro Familia auch 1996, als er sich öffentlich gegen seinen Kollegen Rüdiger Lautmann stellte, der in einem Buch Pädophilie verteidigt hatte.

Wie Amendt zu den seiner Meinung nach von Forschung und Gesellschaft gleichermaßen vernachlässigten Vätern gefunden hatte – das kann er nicht mehr genau sagen. Natürlich gebe es für Wissenschaftler auch immer persönliche Motive bei ihrer Themenwahl. Ganz allgemein formuliert er: „Männer haben sich diesen Fragen bisher auch selbst entzogen, weil sie sich nicht mit sich selbst beschäftigen wollten.“ Doch Amendt kriegt davon nicht genug. Sein neuestes Projekt: Eine Studie im Auftrag des Wochenmagazins Der Spiegel, die sich mit den Folgen von Scheidung beschäftigen soll. Und alle befragen soll: Kinder, Frauen und Männer. Eiken Bruhn