Moderner Märtyrer

Bohuslav Martinus Oper „Greek Passion“ wurde 1957 vom Covent Garden London abgelehnt, danach ging das Stück verloren, in den 90er Jahren wurde es aufwändig rekonstruiert. Die deutsche Erstaufführung ist am Freitag im Bremer Musicaltheater

Der tschechische Komponist Bohuslav Martinu hatte es mit seiner Oper „Greek Passion“ nicht leicht: Nach einer Absage des Covent Garden London 1957 musste Martinu das Stück völlig verändern (nur etwa 25% des ursprünglichen Werkes wurden beibehalten), da man seine schnittartige Dramaturgietechnik mit extrem kurzen Bildern nicht tauglich für ein Opernpublikum der fünfziger Jahre hielt. Der Komponist verschenkte daraufhin Teile der Partitur der Urfassung an Institutionen und Privatpersonen. In den 90er Jahren gelang es dem Direktor des Prager Martinu Instituts, Ales Brezina, in kriminalistischer Kleinarbeit die Urfassung zu rekonstruieren. 1999 fand die Uraufführung der ersten Fassung in Bregenz statt. Kommenden Freitag ist die deutsche Erstaufführung in Bremen: Stefan Klingele wird „Greek Passion“ dirigieren, die Regie führt Rosamund Gilmore.

taz: Herr Klingele, Sie haben sich für das Stück entschieden. In vielen Opernführern wird es nicht einmal erwähnt. Wie sind Sie darauf gestoßen?

Stefan Klingele: Ich liebe schon lange die Musik von Martinu. Irgendwo las ich, „Greek Passion“ sei sein größtes Werk, und da habe ich den Klavierauszug, der sich bereits im Theater befand, genauer studiert und endgültig schätzen gelernt. Eine Aufführung habe ich aber nie gesehen.

Frau Gilmore, dem Libretto von Martinu liegt ja der Roman „Christ Recrucified“ von Nikos Kazantzakis zugrunde, dessen „Alexis Sorbas“ vielen bekannt ist. Um was geht es in ,,Greek Passion“?

Rosamund Gilmore: Es ist die Geschichte eines jungen Mannes in einem griechischen Dorf, der von den Dorfältesten zum Christusdarsteller der kommenden Passionsspiele ernannt wird. Und dieser junge Mann, Manolios, nimmt seine Rolle sehr ernst, eben auch im wirklichen Leben. Als eine Gruppe von erschöpften und hungrigen aus ihrem Dorf vertriebenen griechischen Flüchtlingen in das Heimatdorf Manolios kommt, schlägt er sich auf die Seite der armen Flüchtlinge, die von den Einheimischen als unerwünschte, lästige Eindringlinge betrachtetet werden. Letztlich wollen die wohlsituierten Einheimischen nichts von ihrem Wohlstand mit den Armen teilen. Manolios wird zum Märtyrer, wird als Störenfried in der Aufführung wirklich gekreuzigt, also ermordet.

Martinu lebte ja wegen Hitler erst im Exil in Amerika, dann wegen Stalin in der Schweiz. Seine Auffassung von Musik ist sehr lokal auf die Tschechoslowakei bezogen, das Kolorit, der Rhythmus, die Metrik... Hatten die beiden Exile Einfluss?

Klingele: Ich glaube nicht. Er benutzt zwar folkloristische Elemente, aber bestechend ist seine Farbigkeit, seine Schlichtheit, seine Komplexität, wenn‘s sein muss. Er komponiert das Geschehen vollkommen theatralisch, die Sänger bekommen ständig Futter.

Gilmore: Das ganze Werk ist sehr theatralisch-durchsichtig. Genau diese Anlage des Stückes versuche ich konsequent zu zeigen. Alles ist ein Theaterspiel. Alles ist sichtbar. Das Orchester sitzt auf der Bühne. Alle technischen Vorgänge sind offen.

Worum geht es Ihnen schwerpunktmäßig in dieser sehr politischen Geschichte?

Gilmore: Um einen skeptischen, nachdenklichen Blick auf die Entwicklung Europas in den letzten 50 Jahren. Bei allem Fortschritt hat sich eines kaum verändert, wie ja auch unsere Gegenwart zeigt: Die Menschen wollen ihren Wohlstand für sich alleine haben und sind wenig bereit, mit anderen Menschen, die aus Not zu ihnen kommen, zu teilen. Und es sind immer Einzelne, die sich für Notleidende einsetzen. Martinu und Kazantzakis haben aber die Hoffnung, dass es diese Einzelnen immer wieder geben wird. „Greek Passion“ endet nicht hoffnungslos.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Premiere am Freitag, 30.5. um 19.30 Uhr im Musicaltheater am Richtweg