Der Metatanz

Ab Juni im Polizeihaus: Die Filmsammler des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen ziehen um. Mehr Geld gibt‘s dort auch – und eine hoffntlich gesteigerte öffentliche Wahrnehmung

Alte und neue Gerätschaften, Filmrollen und für Laien unidentifizierbarer Krimskrams: Im Büro von Heide-Marie Härtel, der Leiterin des Deutschen Tanzfilminstituts in Bremen stapelt sich alles bis obenhin. Ganz obendrauf liegt ein kleines Buch: „Die Weisheit des Buddhismus – für den Alltag“. Gleichmut ist gefragt in den Räumlichkeiten des Instituts an der Contrescarpe. Längst reichen die 60 Quadratmeter nicht mehr für die elf Mitarbeiter und mittlerweile 12.000 Tanzdokumente. Was davon hier nicht mehr untergebracht werden kann, lagert unter diversen anderen Bremer Dächern, in der Garage der Chefin zum Beispiel.

Doch all das wird sich bald ändern. Im Juni, spätestens im Juli, bezieht man 350 Qudratmeter im alten Polizeigebäude, wo auch die Bibliothek untergebracht wird. Ein großer Vorteil des neuen Domizils, so Härtel, liege in der Zunahme öffentlicher Wahrnehmung, die hier, im Dachgeschoss des Institut Français offenbar deutlich fehlt.

Dabei ist das Institut „das Gedächtnis des deutschen Tanzes“, sagt der Slogan des Hauses. Immerhin besitzt man die zweitgrößte Tanzfilmsammlung der Welt. Deshalb bemüht Härtel sich auch regelmäßig um neue Gelder. Von der Kulturstiftung erhielt das Institut 141.000 Euro für „Dance On Demand“, die Erfassung des Archives in einer flexiblen Datenbank, die Nutzern die Abfrage aller archivierter Aufzeichnungen ermöglicht. Um weitere 30.000 Euro „projektbezogene Unterstützung“ verhandelt das Institut mit einer Delegation der Kulturbeauftragten der Bundesregierung.

Die Arbeit von Härtel und ihrer Crew besteht vor allen Dingen in der Aufnahme aktueller Tanzproduktionen, der Rekonstruktion älterer Aufnahmen und der Umsetzung eigener Projekte. Oft bilden Institutsexperten auch die Vortragsvorhut deutscher Tanzproduktionen, die in aller Welt gastieren. Letzte Stationen waren Shanghai und Taschkent. Für den TV-Sender 3 Sat produziert man alle zwei Jahre ein Tanzjournal, auf Festivals werden Technik und Filme bereitgestellt.

Die enge Zusammenarbeit mit Choreografen liegt Heide-Marie Härtel am Herzen. Die Schnittfolge eines Filmes über Tanz verlange ebenso viel künstlerisches Gespür wie der Tanz selbst.

Immense Tanzveränderungen gehen vor sich: So wie die Fotografie die gegenständliche Malerei verändert habe, sei der Tanz unter dem Einfluss des Filmes nicht mehr an seine einstigen Traditionen gebunden. Die Zeitumkehr der filmischen Bewegungsabläufe (vorwärts, rückwärts, Zeitlupe) wirke sich auch auf den Tanz aus. Der Tänzer wird durch die Technik herausgefordert.

Sechs Jahre hat Härtel selbst am Goethe–Theater getanzt, damals hieß der künstlerische Leiter der Kompanie Hans Kresnik. Mit ihm hat sie 1971 etwa das Vietnam-Memorandum „Kriegsanleitung für jedermann“ erarbeitet. Die Aufnahme des Stückes findet sich natürlich auch in Härtels Regal.

Dass gerade hier in Bremen das Archiv entstanden ist, verdanke die Stadt den Impulsen, die vor allem in den 70er Jahren von hier ausgegangen seien, so Härtel. Und heute sei die Szene lebendig wie nie, Bremen sei eine regelrechte Tanzstadt.

Robert Best

Kontakt: ☎ (0421) 3648881, www.deutsches–tanzfilminstitut.de