Endlich weniger Zeit zum Fernsehen

35 Grundschulen werden zu Ganztagsschulen ausgebaut. Der Bund stellt 147 Millionen Euro für Umbau und Personalkosten zur Verfügung. Die neuen Ganztagsschulen entstehen vor allem in sozialen Problemkiezen. Die Nachfrage nach der Vollzeitbetreuung bleibt dennoch größer als das Angebot

VON WIBKE BERGEMANN

Ganztagschulen haben viele Vorteile: Unterricht und Freizeit können sinnvoll miteinander verbunden werden, wovon sowohl die schwächeren Schüler als auch die stärkeren profitieren. Es gibt Raum für soziales Lernen, etwa beim gemeinsamen Mittagessen, „und die Kinder haben weniger Zeit zum Fernsehen“, sagt Astrid-Sabine Busse, Leiterin der Grundschule in der Köllnischen Heide, einer Ganztagsschule. „Wir können die Defizite aus den Elternhäusern ausgleichen, und sei es nur, indem wir den Kindern Zuwendung geben.“

Insgesamt 27 der 415 Berliner Grundschulen – einschließlich der Europaschulen – sind schon jetzt gebundene Ganztagsschulen, das heißt, die Schüler müssen den ganzen Tag anwesend sein. Nun hat der Senat die Finanzierung des Ausbaus von 35 weiteren Grundschulen zu Ganztagsschulen bewilligt. 147 Millionen Euro erhält das Land Berlin dafür vom Bund. Denn Ganztagsschulen brauchen Platz und Personal: Allein für den Umbau der Schulen sind insgesamt 44 Millionen Euro vorgesehen. Bevor der Rund-um-die-Uhr-Betrieb starten kann, müssen Mensen, weitere Räume und spielgerechtere Schulhöfe entstehen. Die Umbauten sollen bis 2007 abgeschlossen sein. „Es ist psychologisch wichtig, dass sich Freizeit und Unterricht in verschiedenen Räumen abspielen“, sagt Schulleiterin Busse. Eine wichtige Rolle spielen auch Ruheräume, meint Busse: „Ein Kind muss auch einfach in die Luft starren und sich entspannen dürfen.“

Für eine Übergangsphase wird es an einigen der Ganztagsschulen auch weiterhin Klassenzüge geben, die nur vormittags unterrichtet werden. Man wolle die Eltern schließlich nicht zwingen, ihre Kinder den ganzen Tag der Schule zu überlassen. Sonst drohe eine soziale Entmischung, erklärte der Neuköllner Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD): „Eltern, die ihr Kind gezielt etwa zum Musikunterricht schicken wollen, nehmen es dann von der Schule.“

Die neuen Ganztagsschulen wurden vor allem nach ihrer Lage in schwierigen sozialen Kiezen ausgesucht. Schulsenator Klaus Böger (SPD) betont zugleich: „Ganztagsschulen sind keineswegs ein Bildungsprogramm für Problemgebiete, sondern für alle.“ Böger ist optimistisch: „Die Nachfrage der Eltern ist größer als das Angebot.“ Tatsächlich waren insgesamt 46 Anträge auf Ausbau von Grundschulen gestellt worden, doch für mehr als 35 Ganztagsschulen fehlt vorerst das Geld.

Immerhin werden auch die so genannten offenen Ganztagsangebote ausgebaut. Schon jetzt bieten fast 30 Prozent der Berliner Grundschulen eine kostenpflichtige Nachmittagsbetreuung in ihren Räumen an. Allerdings befinden sich bislang die meisten offenen Ganztagsschulen in den Ostbezirken. 150 weitere Schulen haben nun Anträge gestellt. Im Senat wird damit gerechnet, dass diese zusätzlichen offenen Ganztagsschulen bis 2007 bewilligt werden können.

Was es auf jeden Fall an allen Berliner Grundschulen ab nächstem Jahr geben wird, ist die kostenlose Kinderbetreuung von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr. Die Teilnahme ist nur so lange Pflicht, wie der Unterricht läuft. Doch alle Eltern mit einem Halbtagsjob können sich dann darauf verlassen, dass ihr Kind nicht vor 13.30 Uhr nach Hause geschickt wird.