Selbstorganisation unterm Kapuzenpulli

In der kommenden Woche findet in Berlin ein Kongress für linke Projekte statt. Ziel ist die bundesweite Vernetzung „selbst organisierter Strukturen“. Auch öffentliche Aktionen sind geplant. Nur die Polizei weiß noch nichts davon

Dunkle Sonnenbrillen, schwarze Kapuzenpullis. Die Vorhut der „Kongress- und Aktionstage selbst organisierter Strukturen“ will gegenüber der Presse lieber anonym bleiben. Die Gruppe, die sich „Autoorganisation“ nennt, richtet in der kommende Woche einen internationalen Kongress linker Projekte aus. Ab Montag sollen eine Woche lang über die ganze Stadt verstreut Infoveranstaltungen und öffentliche Aktionen stattfinden, erwartet werden insgesamt bis zu 1.000 Besucher. Auch auf dem Protestzug gegen Sozialabbau ist das Netzwerk heute vertreten. Von ihren Mitdemonstranten wollen sich die Selbstorganisierten aber deutlich abgrenzen. „Wir sind viel radikaler“, sagen sie.

„Wird euer Kongress so eine Art Chaostage?“, fragt eine Journalistin besorgt. „Nein, überhaupt nicht“, beteuern die jungen Menschen in Schwarz. Mit Chaos habe das gar nichts zu tun – „eher mit Organisation“. Sozialabbau sei nur eines von vielen Themen des Kongresses, Hauptziel die überregionale Vernetzung von Projekten. Ein Blick in den dicken Veranstaltungskalender zeigt, dass es davon offensichtlich eine ganze Menge gibt. Rund um die Uhr kann man sich von Montag bis Mittwoch in der „Köpi“, im Mehringhof und an anderen Orten über die selbst verwalteten Projekte informieren. Arbeitslosen-, Frauen-, und MigrantInnenorganisationen stellen sich vor und lassen mit sich diskutieren. Auch um Selbstverteidigung geht es: In der letzten Zeit habe es zahlreiche Angriffe gegen selbstverwaltete Strukturen gegeben, so die Veranstalter. Auf dem Kongress wolle man nun das gemeinsame Vorgehen besprechen. Eingeladen sei aber jeder, der sich engagieren wolle.

Mit dabei sind natürlich Antifa und Hausbesetzer. „Bei dem Kongress geht es uns auch um die Schaffung von Freiräumen. Ohne die ist selbst verwaltetes Leben nicht möglich“, sagen die Organisatoren und fordern die Abschaffung der „Berliner Linie“. Diese in den 80er-Jahren etablierte Praxis legalisierte bestehende Hausbesetzungen. Im Gegenzug gilt bis heute, dass jede Neubesetzung binnen 48 Stunden kompromisslos zu räumen ist. „Diese Regelung ist nicht mehr zeitgemäß, da sich die Wohnraumsituation geändert hat“, beklagen die Veranstalter. Zahlreiche öffentliche Gebäude stünden leer und würden nicht genutzt. Teile der PDS hätten im Wahlkampf angekündigt, diese Regelung zu ändern. „Passiert ist nix“, beklagt eine vermummte Frau.

Von Donnerstag bis Samstag sind eine Menge öffentlicher Aktionen geplant. Über Art und Umfang der Proteste bewahren die Organisatoren Stillschweigen: „Das können wir selbst noch gar nicht abschätzen. Die Planung liegt nicht bei uns, sondern bei den einzelnen Gruppen. So ist das mit der Selbstverwaltung“, amüsieren sich die anonymen Kapuzenpullis. Bei der Polizei will man währenddessen von der „Autoorganisation“ und einem linken Kongress noch nichts gehört haben. „Bei uns sind keine Anmeldungen für derartige Aktionen im öffentlichen Raum eingegangen“, sagt Pressesprecher Michael Merkle.

DAVID DAUNER