BUCHTIPP

Welt der Frauen

Alles schlägt sie kurz und klein, ihre Mutter schreit, sie habe die Seele verloren, doch sie will nur eines: Sie will Sängerin werden, hinaus in die große Welt. Hals über Kopf flieht sie eines Nachts in die nächstgelegene Stadt und erkämpft sich Schritt für Schritt den Eintritt ins Musikkonservatorium.

Diese Geschichte einer aufbegehrenden Jugendlichen könnte überall auf dieser Welt spielen, allein die Region, in der Namu aufwächst, zeichnet diese Biografie aus.

„Das Land der Töchter“ heißt die Gegend, die von den Moso besiedelt wird und genau auf der Grenze zwischen Yunnan und Sichuan, zwischen Tibet und China liegt. Lange mussten die Moso um ihre Anerkennung als eigene Nationalität kämpfen. Die Regierung in Peking war der Meinung, dass dieses Volk „rückständige Sitten“ pflegt, denn um die Moso ranken sich so mancherlei Gerüchte: Frauen würden über Männer herrschen, Väter und Ehemänner gebe es nicht, freier Sex sei an der Tagesordnung, wird behauptet. Tatsache ist hingegen, dass das Volk der Moso matrilinear ausgerichtet ist und damit ein Faszinosum für Ethnologen in aller Welt darstellt.

Womit wir beim Thema dieser Biografie von Yang Erche wären, einer erfolgreichen Moso-Sängerin, die es sich als junges Mädchen in den Kopf gesetzt hat, diese Welt mit ihrer Stimme und den Liedern der Moso zu erobern. Schritt für Schritt und strategisch klug macht sie schließlich als Popsängerin Karriere. Heute lebt sie als Model in Peking.

Die Autorin – eine amerikanische Ethnologin – verwebt raffiniert Details aus dem Alltag der Moso mit der Geschichte der Yang Erche. Dabei entstand nicht nur ein interessanter, sondern auch ein anschaulicher Bericht über ein Volk, das hierzulande völlig unbekannt ist.

ALICE GRÜNFELDER

Yang Erche, Christine Mathieu: „Das Land der Töchter. Eine Kindheit bei den Moso, wo die Welt den Frauen gehört“. Ullstein-Verlag, München 2004, 288 Seiten, 20 €