Madrids netter Terrorist von nebenan

Der tunesische Kaufmann Sehrane Ben Abdelmajid Farkhet soll die Terroranschläge des 11. März organisiert haben

Keiner im bürgerlichen Madrider Stadtteil „Parque de las Avenidas“ wäre auf die Idee gekommen, dass Sehrane Ben Abdelmajid Farkhet jemanden etwas zuleide tun könnte. Bis gestern sein Bild auf allen Titelblättern der spanischen Presse prangte. „Gehirn des 11-M“ stand darunter. Ben Abdelmajid soll die Terrorgruppe geleitet haben, die am 11. März 14 Bomben in vier Nahverkehrszügen in Madrid legte und 191 Menschen tötete. Jetzt wird er international gesucht.

Wieder war es für alle der nette junge Mann von nebenan. Und wieder steckte hinter dieser Fassade ein gefährlicher Islamist. Der 35-Jährige, der mit einer Nordafrikanerin verheiratet ist, kleidet sich modern. Sein Bart war kurz. Er spricht gutes Spanisch. Schließlich kam er vor acht Jahren aus Tunis nach Madrid, studierte Wirtschaftswissenschaften, arbeitete bei einem Immobilienmakler. Mit dem ersparten Geld stieg er in Großhandelsgeschäfte in Lavapiés ein, dem Stadtteil, aus dem viele der Attentäter stammten.

Doch der normale Immigrant von nebenan war laut Ermittlungsrichter Juan del Olmo „das dynamisierende Element in der Vorbereitungsphase“. Er soll „das Bewusstsein für den heiligen Krieg in seinem Umfeld“ geschaffen haben. Die Radikalisierung von Ben Abdelmajid geht demnach auf die Zeit des Irakkrieges zurück. Damals habe er begonnen, Kommuniqués von al-Qaida und Umfeld zu lesen. Die beeindruckten ihn so sehr, dass er Mitte 2003 begonnen habe, von „einer gewalttätigen Aktion in Spanien“ zu reden, „am besten im Raum Madrid“.

Ben Abdelmajid, dessen Arbeitsplatz bei einem Makler gleich neben einer der beiden großen Moscheen Madrids liegt, besorgte sich Videos von al-Qaida. Er führte sie in kleinen Moscheen und Gebetshäusern vor und heuerte so einige der Mitglieder des Terrorkommandos an. Die 6.000 Euro, die die Gruppe für die Vorbereitung des Massakers brauchte, sollen ebenfalls von Ben Abdelmajid stammen.

Seinen wichtigsten Mann, der Marokkaner Dschamal Ahmidan – alias „der Chinese“ – fand er in Madrids Immigrantenviertel Lavapiés. Zusammen mit dem 34-Jährigen, der im Besitz eines falschen belgischen Passes war, mietete Abdelmajid ein Landhaus südöstlich der Hauptstadt an, das als Versammlungslokal, Bombenwerkstatt und in der Woche nach den Anschlägen als Versteck für das Kommando diente. Ben Abdelmajid soll, so die Ermittlungen, auch die anderen Männer ausgesucht haben, die später die Sporttaschen und Rucksäcke mit den Bomben in der Universitätsstadt Alcalá de Henares 40 Kilometer östlich von Madrid in den Zügen deponierten.

Ben Abdelmajid wurde bereits in der Vergangeheit mehrmals von der Polizei überwacht – ohne konkretes Ergebnis. Richter Del Olmo geht davon aus, dass sich „Chefkoordinator“ Ben Abdelmajid, ähnlich wie die anderen fünf mit internationalem Haftbefehl Gesuchten, ins Ausland abgesetzt hat. REINER WANDLER