Galileo kann endlich abheben

Die amerikanische Satellitennavigation GPS bekommt Konkurrenz: ESA macht endgültig den Weg frei für den Start des europäischen Galileo-Systems. Streit der EU-Partner über die Aufteilung der Gewinne verzögerte das Projekt

von MATTHIAS URBACH

Das europäische Satellitennavigationssystem „Galileo“ hat schon viele Startschüsse erlebt. Jetzt kann das Gemeinschaftsunternehmen Galileo von EU und der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA tatsächlich seine Arbeit aufnehmen und Aufträge an die Industrie vergeben. Denn am Montagabend einigten sich die Delegierten der Länder im ESA-Rat auf die Verteilung der Investitionen von rund 3,2 bis 3,5 Milliarden Euro und der zu erwartenden Gewinne.

Galileo soll die zivilen Nutzer des US-amerikanischen Global Positioning System (GPS) unabhängig machen von der Willkür des Pentagons, das das System 1978 begründet hat. Denn die US-Militärs können das GPS für zivile Nutzer ohne Vorwarnung ungenauer machen oder ganz abstellen – wie im Kosovokonflikt 1999. Außerdem wird Galileo rund viermal genauer sein und ein Sicherheitssignal senden, an dem die Nutzer ablesen können, ob das Navigationssignal gerade zuverlässig funktioniert.

Bereits vor 14 Monaten hatten die EU-Verkehrsminister ihr Okay gegeben. Doch seitdem verzögerte ein zäher Streit um die Anteile das Projekt: Als größtes Land beanspruchte Deutschland den größten Anteil, Frankreich, Italien und Großbritannien wollten gleichberechtigt sein.

Am Ende steht ein EU-typischer Kuhhandel, der allen vieren einen Anteil von je 17,5 Prozent zugesteht, Deutschland aber eine Konstruktion, die ihm rund 20 Prozent der Rückflüsse zusichert. Auch wird der Firmensitz von „Galileo Industries“ wohl nach Oberbayern kommen.

Nun will die EU bis 2008 insgesamt 30 Satelliten in 23.600 Kilometer hohe Umlaufbahnen schießen – ihr bislang größtes Technikprojekt. Die Satelliten sind ausgerüstet mit hypergenauen Atomuhren und funken indivuelle Positionssignale an die Erde, aus denen ein kleines Empfängergerät am Boden seine Position bis auf wenige Meter genau berechnen kann.

Die ursprünglich militärische GPS-Technik wird inzwischen von Seeleuten und Piloten zur Positionsbestimmung genutzt. In der EU fahren sogar 1,3 Millionen Autos mit GPS.

Mit einem nur 2 Euro teuren GPS-Chip können schon heute Handyhersteller ihre neuen Telefonmodelle ausrüsten. Geplant ist etwa eine automatische Ortssendung an den Rettungsdienst bei Anwahl der 112. Auch könnte eine so genaue Ortsbestimmung, wie sie bald Galileo möglich macht, genutzt werden, um telefonisch Informationen über umliegende Restaurants oder Kaufhausangebote abzufordern. Marketingexperten wittern hier einen Milliardenmarkt.

Die US-Regierung versuchte bis zuletzt, die EU von dem Projekt abzubringen. Sie möchte in ihrem „Kampf gegen den Terror“ weltweit die Satellitensignale kontrollieren. Scheinheilig auch die US-Forderung, Galileo möge doch bitte auf ganz anderen Frequenzen senden als GPS – damit sich die Signale nicht störten. Tatsächlich würden die USA nur gerne die Möglichkeit behalten, bei eigenen Sicherheitsinteressen Galileo mit Störsendern lahm zu legen – ohne das eigene System zu behindern.