Wie eine Windfirma ihren guten Ruf ruiniert

Umweltkontor: vom Anlegerliebling zum Verlustbringer. Anleger befürchten Selbstbereicherung des Vorstandes

KÖLN taz ■ Heinrich Lohmann traf den Nerv der Zeit. Nach den auf Nimmerwiedersehen versenkten Milliarden am Neuen Markt war das zurückhaltende, aber bestimmte Auftreten des Vorsitzenden der Umweltkontor AG Balsam für die geschundenen Investoren. Beim Börsengang seiner Firma versprach Lohmann nur das Beste.

Die Umweltkontor AG werde ethisch korrekt Gewinne machen. Der Börsengang der Firma aus Erkelenz wurde zum Erfolg; Die Aktien waren mehrfach überzeichnet und stiegen Ende des Jahres 2000 auf einen Höchststand von über 39 Euro .

Das ist Geschichte. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2002 rutschte Umweltkontor mit 5,2 Millionen Euro erstmals in die Verlustzone; der Umsatz fiel auf 143 Millionen Euro. Der gestern veröffentlichte Bericht für das erste Quartal 2003 weist ein Minus von 0,37 Millionen Euro aus. Die Hauptschuld an den Miesen müssen sich Lohmann und sein Vorstandskollege Leo Noethlichs zuschreiben lassen. Gegen den Willen vieler Aktionäre drückten die Firmengründer die Übernahme der verlustreichen Risikogesellschaft New Mine Energy GmbH durch, die unter anderem Biodiesel herstellt. Pikant dabei: Ihren Familien gehörten die New Mine Energy. Darüber hinaus kontrollieren die Vorstände den größten Aktienstock der Umweltkontor. Die Zustimmung der Aktionäre war eine Formsache.

Kritische Stimmen, dass die defizitäre New Mine die gesunde Umweltkontor AG mit in die Miesen reißen könnte, wischte Lohmann vor der Übernahme beiseite. Stattdessen versprach er den großen Wurf. Bislang hatte sich seine Aktiengesellschaft vor allem als seriöser Projektierer von Windparks einen Namen gemacht. Mit der New Mine sollte ein neuer Technologiekonzern entstehen. Die Umweltkontor AG zahlte 22,5 Millionen Euro in Aktien an die Familien ihrer Vorstände und bekam die New Mine Energy GmbH. Und Probleme.

Beim Landgericht Mönchengladbach sind zwei Verfahren gegen die Übernahme der New Mine Energy anhängig. Aktionärsschützer glauben, Lohmann und Familien wollten sich auf Kosten der Umweltkontor-Aktionäre gesundstoßen. Die Analystin der Hamburgischen Landesbank, Claudia Erdmann, sah keine „unternehmerischen Gründe“ für eine Übernahme. Laut aktuellem Geschäftsbericht habe die Umweltkontor ohne die New Mine Energy im vergangenen Jahr einen Gewinn von 12,5 Millionen Euro vor Steuern und Zinsen gemacht.

Warum hat Lohmann darauf gedrängt, die New Mine Energy zu übernehmen? Besonders ein Detail beunruhigt Anleger und Kläger. Die Familien von Lohmann und seinem Vorstandskollegen Noethlichs verlagerten mit der Übernahme einen offenen Kredit im Wert von 19 Millionen Euro von der New Mine Energy auf die Umweltkontor AG. Fällig werden die Millionen am 31. Dezember 2003. Umweltkontor muss zahlen. Allerdings zeigte sich Lohmann bislang gnädig. Er könne sich auch vorstellen, dass das Darlehen bei Bedarf verlängert werden könne, sagte der Umweltkontor-Vorstand.

Die Vorgänge rund um die New-Mine-Übernahme schrecken Investoren ab. Der Aktienkurs der am Börsenplatz Prime Standard gehandelten Umweltkontor AG sackte auf einen Tiefstand von gestern 1,28 Euro. Der Wert sei so unbedeutend, dass es nicht mehr lohne, ihn zu beobachten, sagt ein Analyst.

Für das laufende Jahr verspricht das Unternehmen ein stabiles Wachstum. Im gestern veröffentlichten Quartalsbericht wird ein Verlust von 0,37 Millionen Euro nach minus 1,61 Millionen Euro im Vorjahr ausgewiesen. Der Umsatz sei im gleichen Zeitraum auf 45,67 Millionen Euro geklettert – vor allem weil die Firma ein Holzheizkraftwerk verkaufen konnte, teilte Umweltkontor mit.

Analysten dagegen halten eine Insolvenz des Unternehmens nicht mehr für ausgeschlossen. Zwar liegen 19 Millionen Euro an liquiden Mitteln nach Unternehmensangaben in der Kasse. Im Jahresverlauf geht der Barbestand bei Windparkbauern jedoch erfahrungsgemäß zurück. Sollte Lohmann sein Darlehen einlösen, könnte er die Firma mit einem Federstrich in die Pleite treiben.

DAVID SCHRAVEN