lokalkoloratur

Als Freund gepflegter Fußballkultur – immerhin sitzt er selbst gern auf der Tribüne des Freiburger Dreisamstadions, während sein Sohn die Daumen für St. Pauli drückt – hat Günter Grass den Pfingstsonntag 1903 in seinem Band „Mein Jahrhundert“ als Beginn einer Massenbewegung gewürdigt. Die Umstände dieses ersten Endspiels um die Deutsche Fußballmeisterschaft schildert der Literatur-Nobelpreisträger aus Sicht eines Leipziger Funktionärs: „Schon damals, als der VfB Leipzig klar und unbestritten als deutscher Meister galt, war manch ein Journalist versucht, sein Süppchen in der Legendenküche zu wärmen. Jedenfalls hat sich das Gerücht, die Prager hätten in der Vornacht auf Sankt Paulis Reeperbahn mit Weibern rumgesumpft und wären deshalb, besonders in der zweiten Halbzeit, so flau im Angriff gewesen, als Ausrede erwiesen.“ Viele weitere Begebenheiten von damals dürften so manchen Fußballer von heute neidisch zurückblicken lassen. Nicht nur wurde der Ball damals noch per Mund aufgeblasen, nein, auch der demoralisierte Prager Stürmer verließ das Spielfeld – beim Stand von 2:7. Nur grassgleiche Engelszungen konnten ihn zum Weiterspielen überreden. Eine Titelverteidigung war für die Leipziger 1905 nicht drin – die Reise nach Köln war zu teuer. FOG