kommentar
: SPD und Union gemeinsam gegen neue Jobs

40 oder 50 Stunden Arbeit pro Woche müssen nicht schlecht sein. Viele Selbstständige muten sich einen solchen Stundenplan freiwillig zu. Angestellte haben nichts dagegen, weil sie mit mehr Arbeit mehr Geld verdienen. Wenn aber Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und große Unternehmen wie Siemens gemeinsam dafür sorgen, dass die Arbeitszeit flächendeckend erhöht wird, handelt es sich um wirtschaftlichen Irrsinn. Die Arbeitslosigkeit wird dadurch steigen und nicht abnehmen.

Deshalb wird das Thema heute noch mehr Leute zu den Demonstrationen gegen die rot-grüne Stagnationspolitik treiben. Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich gehört in dieselbe Schublade wie Steuersenkung für Spitzengehälter, Teilprivatisierung der Kranken- und Rentenversicherung und öffentliche Sparpolitik à la Maastricht. „Unsozial, ungerecht!“, heißt es zu Recht auf großen Transparenten. An anderen Tagen hätte Ver.di-Chef Frank Bsirske sich vielleicht nicht hinreißen lassen, wegen der Arbeitszeit einen „Konflikt in bisher nicht bekanntem Ausmaß“ anzudrohen. Warten wir ab, ob er Recht behält. Klar aber ist: Die deutsche Politik verliert zunehmend die Orientierung.

Wie heißt das große Ziel? Die Zahl der Jobs zu erhöhen, damit nicht auf Dauer zehn Prozent der Erwerbswilligen ausgeschlossen bleiben. Was passiert tatsächlich? Das Rentenalter wird hinaufgesetzt und die Wochenarbeitszeit verlängert. Diejenigen, die einen Job haben, produzieren mehr – und verringern damit die Chance von Arbeitslosen, eingestellt zu werden.

Während die offizielle Politik die Reduzierung der Erwerbslosigkeit beschwört, geht es den Bundes- und Landespolitikern eigentlich um die Sanierung ihrer Haushalte. Bis 67 arbeiten müssen die Bundesbürger bald vornehmlich deshalb, weil Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) die Überweisung an die Rentenversicherung verringern will. Auch die Ausdehnung der Arbeitszeit in Bayern ist Folge der Not des Finanzministers.

In Einzelfällen praktiziert, wäre das Primat der staatlichen Sparpolitik nicht weiter gefährlich. Auch einzelne Unternehmen können kurzfristig darauf angewiesen sein, ihre Kosten zu reduzieren. Wenn das Sparen aber zu einer gesamtgesellschaftlichen Obsession wird und Millionen von Jobs betroffen sind, verhindert die Finanzpolitik eine sinnvolle Wirtschaftspolitik. HANNES KOCH