Wettrennen zum Mars

Gleich vier Sonden werden in den nächsten Monaten Richtung Roter Planet geschickt. Am kommenden Montag startet die europäische Raumfahrtagentur ESA ihren „Mars-Express“. Es ist die erste interplanetarische Raumfahrtmission der ESA

Der Mars muss zumindest früher einmal wärmer und feuchter gewesen sein

von KENO VERSECK

Für die europäische Raumfahrt wird es ein besonderer Tag: Am kommenden Montag soll vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur die europäische Raumsonde „Mars-Express“ starten und ihre sechsmonatige Reise zum Roten Planeten beginnen. Es ist nicht nur die erste eigenständige Mars-Mission der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, sondern auch ihre erste eigenständige interplanetarische Mission überhaupt.

Dabei will die ESA nicht einfach nur demonstrieren, dass auch die europäische Raumfahrt technisch schafft, wozu bisher nur Russland und die USA in der Lage waren. Keine andere Raumsonde, die bisher zum Mars geschickt wurde, so rühmen ESA-Wissenschaftler ihr Mars-Projekt, sei so gut ausgerüstet gewesen wie der Mars-Express, um gezielt nach Wasser und Leben auf dem Mars zu suchen.

Die Frage, ob es auf dem Nachbarplaneten Wasser und mikrobiologisches Leben gab oder gibt, ist seit Beginn der modernen Mars-Forschung vor knapp vier Jahrzehnten die Schlüsselfrage für die Mars-Wissenschaftler, die „Areologen“. In den Sechziger- und Siebzigerjahren schickten die ersten US-amerikanischen und russischen Marssonden Bilder und Daten von einer eisigen, extrem trockenen und lebensfeindlichen Steinwüste zur Erde. Die Temperaturen auf dem Mars liegen bei bis zu minus 120 Grad Celsius. Selten erreichen sie in Äquatornähe einmal Pluswerte. Der Mars besitzt nur eine sehr dünne, hauptsächlich aus Kohlendioxid bestehende Atmosphäre und keine Ozonschicht, die die für Lebewesen schädliche UV-Strahlung abhält.

Doch der Mars muss zumindest früher einmal wärmer und feuchter gewesen sein, vermuten viele Wissenschaftler. Sie deuten bestimmte areologische Formationen wie ausgedehnte Becken, Canyons, verzweigte, flussbettartige Einschnitte in Landschaften oder Sedimentschichten als Spuren von Ozeanen und Flüssen. Reste des Wassers vermuten Forscher an den vereisten Polkappen und unter der Marsoberfläche. Auf Letzteres deuten die Messergebnisse der seit Oktober 2001 um den Mars kreisenden US-Sonde „Mars Odyssey“ hin. Einer ihrer Apparate ist dafür ausgelegt, Wasserstoffatome in chemischen Verbindungen aufzuspüren. Und die hat er in großer Menge gefunden.

Wo Wasser ist, könnte auch Leben sein. Anzeichen für biologische Aktivität auf dem Mars schienen 1976 die US-amerikanischen Viking-Sonden zu liefern. Die Ergebnisse ihrer Experimente wiesen auf einen Gastaustausch durch Stoffwechselprozesse hin, blieben jedoch widersprüchlich. Die meisten Wissenschaftler interpretierten sie als Zeichen einer speziellen Mars-Bodenchemie.

Was die Viking-Sonden 1976 nicht klären konnten, soll der Mars-Express nun nachholen – seit damals die erste Raumsonde, die gezielt nach Leben sucht. Wenn der Mars-Express Ende Dezember am Roten Planeten eintrifft, wird er über dem Planeten das Landegerät Beagle-2 abwerfen. Der untertassenförmige Apparat, benannt nach dem legendären Forschungsschiff Charles Darwins, wird, von Fallschirmen gebremst und von Airbags abgefedert, in einer nördlichen Äquatorregion des Mars landen, der kraterarmen Ebene Isidis Planitia, die einst von Wasser bedeckt gewesen sein könnte.

Beagles „Nase“, ein Gerät zur Gasmessung und -analyse, soll beispielsweise herausfinden, ob und in welcher Maße es Gase wie Methan gibt, die beim Stoffwechsel von Lebewesen frei werden. Der Gasanalysator ist so empfindlich, dass er Gasmoleküle sogar noch dann registrieren kann, wenn Organismen, die sie produziert haben, mehr als tausend Kilometer entfernt sind.

Auch Spuren von möglichem vergangenen Leben soll Beagle entdecken können, so etwa, ob es bestimmte Kohlenstoffminerale gibt, die bei biologischen Prozessen entstanden. Das Landegerät ist außerdem in der Lage, bis zu zwei Meter tief in den Boden zu bohren und Bodenproben oder Proben aus dem Inneren von Gesteinen zu nehmen, um sie auf Lebensspuren zu untersuchen.

Die ESA hofft, dass Beagle mindestens zwei Monate lang einsatzfähig bleibt. Danach wird sich auf den Solarmodulen des Gerätes vermutlich so viel des feinen Marsstaubes abgesetzt haben, dass die Stromproduktion nicht mehr ausreicht, damit Beagle weiterarbeitet.

Während Beagle nach Leben auf dem Mars sucht, wird der in einer Umlaufbahn um den Mars verbliebene Teil der Raumsonde Mars-Express unter anderem mit einem Radarmessgerät nach atmosphärischen und untermarsischen Wasserspuren suchen – mindestens ein Marsjahr, also zwei irdische Jahre, lang. Die Bodenmessungen sollen dabei bis zu einer Tiefe von fünf Kilometern reichen.

Außerdem soll ein Spektrometer nach Mineralien suchen, deren Vorkommen auf die Anwesenheit von Wasser hinweist. Zeigen sollen die Daten der Experimente auch, ob es auf dem Mars noch einen vollständigen Wasserzyklus gibt: ob sich Wasser zum Beispiel jahreszeitabhängig an den Polen als Eis ablagert und verdampft.

Der Mars-Express wird nicht die einzige Sonde sein, die dieses Jahr zum Roten Planeten startet. Noch im Juni, voraussichtlich am 8. und am 25. Juni, sollen die beiden US-amerikanischen Roboterfahrzeuge „Mars Exploration Rover“ A und B zum Mars starten und dort Anfang nächsten Jahres eintreffen.

Die Mars Exploration Rover sind Roboterfahrzeuge wie der 1997 auf dem Mars gelandete „Sojourner“, allerdings größer und mobiler. Während Sojourner nur anderthalb Monate funktionierte und nur zehn Meter zurücklegte, sollen die Mars Exploration Rover drei bis sechs Monate lang arbeiten und sich mindestens in einem Umkreis von einem Kilometer bewegen.

Die Rover sollen, ähnlich wie Beagle, in Gebieten landen, in denen unterirdische Wasserreserven vermutet werden, und dort chemische und areologische Untersuchungen vornehmen, mit denen Wissenschaftler beispielsweise die klimatische Geschichte des Mars rekonstruieren wollen.

Damit ist das Verkehrsaufkommen am Mars noch nicht erschöpft. Zu Anfang nächsten Jahres wird auch die japanische Raumsonde „Nozomi“ in eine Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenken – nach einer sechsjährigen Reise. Beim Start 1998 hatte die vom Pech verfolgte Sonde einen Antriebsschaden und musste auf einen mehrjährigen Umweg geschickt werden, um den Mars zu erreichen. Zudem wurden Teile ihrer Instrumente im April 2002 durch einen Strahlungsausbruch der Sonne beschädigt. Mitte Juni wird Nozomi bei einem Vorbeiflug an der Erde ein letztes Mal Schwung holen und dann in Richtung Mars reisen. Nozomi soll die oberen Schichten der Marsatmosphäre, das schwache Magnetfeld des Planeten und den Einfluss des Sonnenwindes auf den Mars studieren.

Trotz so viel Konkurrenz sind die Wissenschaftler des Mars-Express-Projektes selbstbewusst. Wenn es auf dem Mars Leben gab oder gibt, heißt es bei der ESA stolz, dann werde es sich vor Beagle nicht verstecken können.