die steile these
: Die Passion Corbaini

Heute vor zehn Jahren setzte Kurt Cobain, der Sänger von Nirvana, seinem Leben ein Ende. Weil er für unsere Sünden starb, dürfen wir weiter guten Gewissens MTV schauen

Er verbarrikadierte sich in einem kleinen Zimmer über der Garage seines Anwesens bei Seattle, kritzelte die Worte „I love you, I love you“ unter den Abschiedsbrief an seine Frau, injizierte sich eine Überdosis Heroin, steckte sich den Lauf einer Schrotflinte in den Mund und betätigte den Abzug.

Nun will die Legende, dass an diesem Tag mit Kurt Cobain der letzte große Held der Rockmusik verschieden sei. Und wenn die Legende etwas will, dann ist sie wie ein kleines Kind und quengelt so lange herum, bis man ihr am Ende nachgibt.

„Smells Like Teen Spirit“ war eine tolle Single, „Nevermind“ ein tolles Album und Nirvana eine tolle Band. Zur brennenden Sehnsucht einer ganzen Generation nach Authentiziät, zu ihrer Wut über die nivellierende Macht der Märkte sind inzwischen ganze Bibliotheken voll geschrieben worden. Und fraglos war es Kurt Cobain, der dieser periodisch wiederkehrenden „teenage angst“ seine Stimme und sein Gesicht lieh – wie vor ihm vielleicht ein Sid Vicious, ein Jim Morrison, ein James Dean.

Deshalb wird gerne unterschlagen, dass die Pixies den Grunge „erfunden“ haben – ihm aber kein so süßes Gesicht geben konnten. Auch gerne verschwiegen wird, dass Cobain ein höchst mittelmäßiger Songwriter war – sein bestes Stück, nachzuhören auf der Platte „Unplugged“, ist eine Coverversion des 200 Jahre alten Volksliedes „Where did you sleep last night“.

Aber nicht um einen traurigen Menschen, sondern um einen tragischen Mythos geht es, der da lautet: Er litt – wie wir alle – am Kommerz so sehr, dass er sich das Paradoxon des eigenen kommerziellen Erfolges nicht verzeihen und nur im Suizid die Selbstachtung wahren konnte – für uns alle. Ach Gottchen.

Sein Leiden an der Welt? Nachweislich eine extrem schmerzhafte Magenkrankheit, die auch zur Drogensucht führte. Angst vor dem Ausverkauf? Im Januar 1994 noch posierten Nirvana auf dem Titel des Rolling Stone. In teuren Anzügen und zitiert mit den Worten: „Success doesn’t suck!“ Seine Jünger kümmert’s nicht.

Wenn er ein Messias war, dann ist Kurt Cobian übrigens unlängst zurückgekehrt. Er nennt sich nun Conor Oberst, seine Band heißt Bright Eyes. Er kann jetzt auch Songs schreiben. FRA