Rhetorik mit Symbolwert

Unter der Regie von Brasiliens Präsident Lula da Silva geht Lateinamerika behutsam auf mehr Distanz zu den USA

PORTO ALEGRE taz ■ Der erste Lateinamerikagipfel ohne das Beisein der USA, Spaniens oder Portugals ist am Mittwoch bei Salvador da Bahia mit viel Rhetorik, aber nur wenigen praktischen Fortschritten zu Ende gegangen. Nach der Aufnahme Kubas in das Regionalforum Rio-Gruppe planen die 33 Regierungen der Region, auf ihrem nächsten Gipfel 2010 eine „Organisation der Staaten Lateinamerikas und der Karibik“ zu gründen. Das anvisierte Gründungsjahr hat hohen Symbolwert: Dann jährt sich die Unabhängigkeit mehrerer Länder von Spanien zum 200. Mal.

Der neue Staatenbund wäre eine Alternative zu der 1948 geschaffenen Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), aus der Kuba 1962 auf Betreiben Washingtons ausgeschlossen wurde. Außerdem forderten die Lateinamerikaner ein Ende des US-Embargos gegenüber Kuba.

„Wir brauchen gute Beziehungen zu den USA, doch Unterwerfung hilft niemandem“, sagte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Je geeinter Lateinamerika auftrete, desto mehr stiegen seine Chancen, auf die globale Politik Einfluss zu nehmen. Brasilien, Argentinien und Mexiko gehören zur G 20, wo über stärkere Regulierungen der Finanzmärkte nachgedacht wird. Ecuadors Präsident plädierte erneut für den Aufbau einer „regionalen Finanzarchitektur“, die die vor einem Jahr gegründete „Bank des Südens“ und einen gemeinsamen Währungsfonds umfassen solle. Mit einer virtuellen regionalen Währung könnten die Lateinamerikaner ihren Handelsverkehr schon bald ohne den Umweg über den Dollar abwickeln, sagte Correa. Brasilía allerdings stellt sich auf diesem Ohr bislang taub.

Auch Paraguays Präsident Fernando Lugo hat bislang wenig Erfolg bei seinem Versuch, in Brasília einen größeren Teil der Gewinne des binationalen Itaipú-Staudamms für sein Land abzuzweigen. Umgekehrt blockiert Lugo Brasiliens Wunsch, im Handelsbündnis Mercosur die doppelte Importsteuer für Produkte aus Drittländern abzuschaffen – das Binnenland Paraguay hätte dabei am meisten zu verlieren.

Gegenüber Bolivien zeigt sich Lula großzügiger: Die bolivianischen Textilien, die nach der Aufkündigung von Zollpräferenzen durch Washington nicht mehr in die USA kommen, will Brasilien kaufen. Auch Hugo Chávez kehrte nicht mit leeren Händen zurück: Vorgestern ratifizierte Brasiliens Abgeordnetenhaus den Beitritt Venezuelas zum Mercosur.

Jetzt muss noch Paraguay zustimmen. GERHARD DILGER