„Ich würde sie hängen“

In Leganés geht die Angst um. In dem sonst liberalen Viertel werden ausländerfeindliche Sprüche geklopft

MADRID taz ■ Ángel Tajuelo hat die Polizeioperation hautnah mitbekommen. „Wir konnten unsere Wohnung nicht räumen, weil meine Mutter schwer krank und bettlägerig ist“, erzählt der 48-Jährige, der im Madrider Vorort Leganés lebt. Er hörte die Schießerei, dann die Explosion. Als er zaghaft auf die Straße blickte, lag die Fassade des gegenüberliegenden Hauses in Trümmern.

Um Tajuelo hat sich eine Gruppe Schaulustiger versammelt. Sie alle stehen an der Polizeiabsperrung in Zarzaquemada. Gebannt starren sie auf das Haus, in dem die Polizei am Vorabend die radikalen Islamisten gestellt hat.

Für Tajuelo nimmt der Schrecken derzeit kein Ende. Er arbeitet im Madrider Bahnhof Atocha und erlebte dort aus nächster Nähe die Anschläge auf die Pendlerzüge am 11. März. „Jetzt sind wir schon zu Hause nicht mehr sicher“, murmelt er betroffen, „als hätten wir mit der ETA nicht genug gehabt …“ Für ihn ist der islamistische Terror „das Erbe, das uns der mit dem Schnurrbart hinterlässt“. Gemeint ist der noch amtierende konservative Regierungschef José María Aznar.

„Der hat uns das alles doch eingebrockt. Jetzt zahlen wir für den Irakkrieg“, stimmt ihm ein älterer Herr, Ramón Avellán, zu. „Die vier, die sich in die Luft gesprengt haben, richten nichts mehr an. Aber es gibt mehr von ihnen“, ist sich der 64-jährige Rentner, der gleich um die Ecke wohnt, sicher. „Hier macht sich Angst breit, du weißt ja nicht mehr, mit wem du redest“, sagt er. Für ihn ist die spanische Einwanderungspolitik das Hauptübel. „Als der Stadtteil vor sechs Jahren gebaut wurde, lebten hier eine Handvoll Ausländer, heute sind sie überall“, beschwert er sich. „Noch 20 Jahre und wir Spanier sind in der Minderheit.“ Keiner widerspricht ihm.

„Was wird jetzt passieren? Du kannst ja bald die Kinder nicht mehr mit dem Bus zu Schule schicken“, befürchtet Pedro Hermona. Der 48-Jährige ist aus einem Nachbarstadtteil herübergekommen. „Wenn es nach mir ginge, würde ich alle ausweisen“, sagt er. „Die EU muss zusammenstehen, denn als nächste sind sicher Italien oder Großbritannien dran.“

„Wir dürfen uns jetzt nicht einschüchtern lassen, das wollen die doch nur“, mischt sich eine der wenigen Frauen in der Menge ein. Die 56-jährige Mari Carmen Rielo führt ihren Hund aus. „Ich würde sie alle aufhängen“, sagt sie und erntet zustimmendes Kopfnicken. „Wenn du früher ein paar Kartoffeln geklaut hast, wurdest du von der Polizei verprügelt. Heute fassen sie Terroristen mit Samthandschuhen an“, ruft einer in die Runde.

Ein anderer vermutet, dass „der Regierung die Sache aus dem Ruder gelaufen“ ist. „Die reden den ganzen Tag von Demokratie. Doch ohne Todesstrafe gibt es für den Terror keine Lösung“, bekräftigt er.

REINER WANDLER