Berlin, Bremen, Tokio

Manfred Gurlitt wird am 6. September 1890 in Berlin geboren. Seine Mutter Anarella ist die Tochter des Bildhauers Max Imhof, sein Vater der Berliner Galerist Fritz Gurlitt. Zu dessen Freundeskreis zählen Arnold Böcklin und Franz Liszt.

Im Alter von neun Jahren besucht Manfred Gurlitt eine Aufführung von Mozarts „Zauberflöte“ und will seitdem Opernkomponist und Dirigent werden. Bereits während der Schulzeit lernt er Operntheorie, studiert später Opernliteratur und Klavier, bis ihn Carl Muck im Dirigieren unterrichtet und er in die Kompositionsklasse von Engelbert Humperdinck („Hänsel und Gretel“) aufgenommen wird.

Ersten Stationen als Korrepetitor (1909) folgt eine Assistentenstelle bei Carl Muck und Richard Strauss an der Königlichen Oper Berlin (1911). Gurlitt wird in Essen und Augsburg engagiert, wechselt 1914 nach Bremen, wo er bis 1927 Operndirigent und Generalmusikdirektor bleibt, komponiert und die „Neue Musikgesellschaft Bremen“ gründet.

Während er in den nächsten Jahren freischaffend Opern schreibt, dirigiert er an fast allen großen deutschen Häusern, arbeitet mit Rundfunkorchestern und namhaften Solisten zusammen. Seine Werke werden bei der renommierten Universaledition Wien verlegt. Eine zeitgenössische Radiosendung beschreibt den „Gang der Oper von Monteverdi bis Gurlitt“.

Die Nationalsozialisten kommen 1933 an die Macht. Als sie feststellen, dass Gurlitts Großmutter väterlicherseits Jüdin war, demontiert ihn die Reichsmusikkammer. Gurlitt knüpft Kontakte ins Ausland, plant seine Emigration nach Japan. 1939 siedelt er nach Tokio über und beginnt nach 1945 im Auftrag der kaiserlich-japanischen Regierung in Japan, eine Musikkultur nach europäischem Vorbild aufzubauen. Seitdem gilt er als Vater der europäischen Oper in Japan.

Nach Ende des Dritten Reichs hofft Gurlitt, nach Deutschland zurückkehren und an seine früheren Erfolge anknüpfen zu können. Aber hierzulande will niemand mehr seine Musik hören. Manfred Gurlitt stirbt 1972 in Tokio und hinterlässt Kammermusikstücke, Lieder, Konzerte, eine Sinfonie und neun Opern. Von Letzteren sind heute allenfalls „Wozzek“ (1926) und „Nana“ (1958) Opernfreunden ein Begriff. Gurlitts musikalisches Werk ist mittlerweile fast vollständig in Vergessenheit geraten.

Heinz Lukas-Kindermann, Intendant am Theater Trier, hat Gurlitt nicht vergessen. In der Spielzeit 1997/98 ließ er zum ersten Mal seit der Uraufführung 1930 „Die Soldaten“ von Manfred Gurlitt inszenieren.

Im Rahmen der Reihe „Unbekannte Opern“ gräbt Lukas-Kindermann seit dem Beginn seiner Intendanz vor acht Jahren solche Werke aus, die er zu Unrecht vernachlässigt glaubt. Neben Gulitts „Soldaten“ wurden bisher Alexander Zemlinskys „Sarema – Die Rose vom Kaukasus“, Karl Goldmarks „Merlin“, Erich Wolfgang Korngolds „Kathrin“, Frederick Delius’ „Koanga“ und „Margot la Rouge“ sowie Jacques Iberts „Perseus und Andromeda“ aufgeführt.

Zurzeit wird in Trier die „Nordische Ballade“ von Manfred Gurlitt gezeigt. Die nächsten Aufführungen: am 6. und 14. Juni im großen Haus des Theaters Trier. Karten unter (06 51) 7 18 18 18 oder www.theater-trier.de.

OLIVER RUF