Brüssel entscheidet über Schaeffler und Conti

Kommission dürfte Übernahme heute genehmigen. Doch besonders froh scheint darüber niemand mehr zu sein

HANNOVER taz ■ Die weltweit über 200.000 Beschäftigten der deutschen Autozulieferer Continental und Schaeffler blicken am Freitag nach Brüssel. Dort wird die EU-Kommission aller Voraussicht nach die Übernahme der mit 150.000 Mitarbeitern weitaus größeren Continental AG durch den kleineren in Herzogenaurach ansässigen Konkurrenten Schaeffler genehmigen. Binnen acht Bankenöffnungstagen muss Schaeffler anschließend den Conti-Aktionären, die im Sommer das Übernahmeangebot akzeptiert hatten, je 75 Euro pro Aktie überweisen. Dadurch erhöht sich der Schuldenstand Schaefflers um mehr als 8 Milliarden Euro .

Conti ist durch die Übernahme der Siemens-Tochter VDO bereits mit fast 11 Millionen Euro verschuldet. Weil beide Autozulieferer wegen der Autokrise im kommenden Jahr mit stark verschlechterten Ergebnissen zu rechnen haben, ist zwischen ihnen ein heftiger Streit über einen Ausweg aus der drohenden Schuldenfalle entbrannt.

Der Schaeffler Gruppe waren im Sommer etwas mehr als 90 Prozent der Conti-Aktien angeboten worden. Das Familienunternehmen hat seither seinen Anteil an Conti nach und nach bereits auf 23 Prozent aufgestockt. Nach der Genehmigung der Übernahme ist noch der große Rest von 67 Prozent der 169 Millionen Conti-Aktien zu bezahlen. Dafür muss Schaeffler 8,4 Milliarden Euro überweisen.

Nach der zwischen Conti und Schaeffler geschlossene Investorenvereinbarung muss Schaeffler im Anschluss an den Vollzug der Übernahme seinen Conti-Anteil gleich wieder auf 49,99 Prozent reduzieren. Dafür will das Unternehmen rund 40 Prozent der Conti-Anteile für maximal fünf Jahre an Banken übergeben. Diese dürfen die bei ihnen geparkten Papiere allerdings nur mit Zustimmung von Schaeffler weiterverkaufen. Dies soll eine Zerschlagung von Conti verhindern und den Arbeitnehmervertretern ihre Mitbestimmungsrechte weiter garantieren.

Diese Vereinbarung hatte anfangs auch für das Familienunternehmen Schaeffler ein großes Plus. Durch die Begrenzung des Anteils blieben die noch zu günstigen Konditionen vor der Finanzkrise ausgehandelten Kreditverträge über die 11 Milliarden Schulden der Conti weiter gültig. Die Banken können die Verträge nämlich neu aushandeln, wenn ein neuer Großaktionär mehr als 50 Prozent besitzt.

Inzwischen müssen die Conti-Kredite allerdings ohnehin neu verhandelt werden. Wegen der Autokrise kann das hannoversche Unternehmen das den Banken in den Verträgen zugesicherte Geschäftsergebnis im kommenden Jahr voraussichtlich nicht erreichen. Als Conti die Kreditverträge noch schnell vor der Übernahme neu aushandeln wollte, schrieb Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger einen Brief an die beteiligten Banken und verlangte, damit doch bitte bis nach der Übernahme zu warten. Conti-Chef Karl-Thomas Neumann kritisierte dies öffentlich als unstatthafte Einmischung.

JÜRGEN VOGES