Spaniens königlicher Bastard

Leandro Ruiz darf sich jetzt Leandro de Borbón nennen, weil er ein Sohn des früheren spanischen Königs Alfonso XIII. ist

„Bastard“ haben sie ihn sein Leben lang genannt. Doch jetzt ist es damit vorbei. Leandro Ruiz muss seit dieser Woche mit Leandro de Borbón angesprochen werden. Aus dem „Kegel“, so der mittelalterliche Ausdruck für ein uneheliches Kind, wurde „Seine Hoheit“. Der Spross der heimlichen Liebe des einstigen spanischen Königs Alfonso XIII. de Borbón y Austría und der Theaterschauspielerin Carmen Ruiz Moragas ist dank eines Richterspruchs jetzt ein Borbón mit allen Rechten. Leandro wird damit hochoffiziell zum Onkel des derzeitigen spanischen Monarchen Juan Carlos I..

Das Urteil, den „Ausrutscher“ seiner Majestät Alfonso XIII. in die Familienlinie aufzunehmen, stützt sich auf über 100 Dokumente. Diese waren so eindeutig, dass der Richter auf eine DNA-Analyse verzichtete. Der wichtigste Beweis waren Auszüge eines Schweizer Kontos, auf das der in den 30er-Jahren gestürzte Monarch auch aus dem portugiesischen Exil brav Unterhalt zahlte, für Leandro, dessen Schwester Ana María Teresa sowie einer weitere uneheliche Tochter, die er mit einer einer Klavierlehrerin gezeugt hatte.

„Ich wollte das ganze Leben lang nur eines, den Nachnamen meines Vaters tragen. Jetzt habe ich das endlich erreicht“, jubelt der exzentrische Alte, dessen Gesichtszüge allein schon die Verwandtschaft mit Alfonso XIII. belegen. Zuletzt veröffentlichte der Lebemann, in dessen Lebenslauf unter Beruf „verschiedene unternehmerische Tätigkeiten“ steht, gar eine Biografie unter dem Titel „Der königliche Bastard“. Die 18. Auflage wird gerade verkauft.

Doch erst nach einer schweren Krankheit vor zwei Jahren fasste er den Entschluss zum Kadi zu gehen. Der 74-Jährige berief sich dabei auf die spanische Verfassung, die eheliche und uneheliche Kinder unter anderem beim Namensrecht gleichstellt. Ganz Kavalier teilte er seinem Neffen Juan Carlos I. vorab das Ansinnen mit, sich ins Königshaus einzuklagen. Leandro Ruiz ging es dabei auch um das Ansehen seiner Mutter, die von monarchistischen Historikern immer wieder als „hübsche Schauspielerin ohne großes Talent“ und „Komiker-Nutte“ bezeichnet wurde. „Sie war weder ein Liebchen noch die Geliebte, sondern die große Liebe des Königs“, so Leandro. König Alfonso XIII., der mit Königin Victoria Eugenia von Battenberg sechs eheliche Kinder zeugte, führte mit Leandros Mutter 15 Jahre lang eine feste Parallelbeziehung.

Der „königliche Bastard“ nahm Ende der 60er-Jahre Kontakt zur königlichen Familie auf. Mit seinem Halbbruder Juan, dem Vater des jetzigen Königs, verstand er sich nach eigenen Angaben gut. Dessen Sohn, der heutige König Juan Carlos, nannte ihn liebevoll „Onkel Leandro“. Nach der Wiedereinführung der Monarchie 1975 war er gelegentlich im Zarzuela-Palast zu Gast, bis das Königshaus die Kontakte einschlafen ließ.

Die Aufregung im Hause von Bruder Juan Carlos I. über das Urteil, das Leandro zum Königssohn „mit allen Rechten“ macht, ist groß. Darüber kann auch der ruhige Ton eines Kommuniques nicht hinwegtäuschen. Von „Respekt vor dem Gericht“ ist da die Rede, und Leandro Ruiz sei „ein Bürger, der seine Rechte beansprucht“. Doch die eigentliche Frage ist protokollarischer Art. Wie soll man künftig mit „Seiner Hoheit Leandro“ umgehen? Schließlich steht das neue Familienmitglied auf Rang zehn der Erbfolgeliste. REINER WANDLER