Radeln am Sielwall – schieben oder fliegen

Seit einer Woche regeln neue Schilder und Bodenmarkierungen das Unfallgebiet Sielwall. Aber Radler straucheln und stürzen weiter

Bremen taz ■ „Da schiebe ich doch lieber,“ sagt eine Mittvierzigerin, die grübelnd vor alten und neuen Bodenmarkierungen an der Sielwallkreuzung steht. Man darf weder in Eile noch ängstlich sein, wenn man dieser Tage per Fahrrad vom Steintor in die Innenstadt will. Denn die neue Verkehrsführung für FahrradfahrerInnen ähnelt einem Geschicklichkeitsparcours. Unter AnwohnerInnen und RadlerInnen ist sie zudem umstritten – weil sie dort nach wie vor bis zu sechs Personen täglich vom Rad stürzen sehen. Dabei sollte alles besser werden.

Seit einer Woche lotst eine Bodenmarkierung RadlerInnen stadteinwärts vom Radweg mitten auf die Straße. Dort müssen sie an der Ampel – oft vor der Straßenbahn, zwischen den Schienen – aufs Grün warten. So will es der Bausenator, seit Beirat Mitte und Ortsamt wegen der vielen Unfälle Alarm geschlagen haben. Ein Sicherheitsaudit des Amts für Straßen und Verkehr hatte zu dieser Lösung geraten: Der Radverkehr müsse zwischen die Schienen verlagert werden.

Allerdings sind die Markierungen am Sielwall so schlecht, dass kaum ein Radfahrer die neue Regelung versteht. Eine ältere Frau, die sich regelgerecht mitten auf der Straße einordnete, wurde von der Straßenbahn hinter ihr „ausgeklingelt“. Aber auch, wer es mittig sicher auf die andere Seite schafft, hat noch längst nicht gewonnen. Denn dort führen veraltete Hinweisschilder und Bodenmarkierungen den Radfahrer zunächst in die Irre auf den Gehweg zwischen Fußgänger und Kinderwagen und dann im scharfen Winkel zurück auf die Straße.

„Ein Missverständnis,“ entschuldigt Kai Jürgens, der Pressesprecher von Bausenator Jens Eckhoff (CDU). „Das sollte längst entfernt sein.“ Die Firma habe geschlampt. Die meisten Radfahrer überqueren die Kreuzung unterdessen in Eigenregie: Viele schieben über die Fußgängerampel. Andere suchen sich den einfachsten Weg durch den Verkehrsstrom. Mütter rufen ihren Kindern zu, den Gehweg zu benutzen und radeln selbst zwischen den links fahrenden und rechts parkenden Autos.

Anlieger kennen das eigentliche Problem: „Für die Fahrradfahrer ist am Straßenrand viel zu wenig Platz. Was brauchen wir einen Gehweg wie in St.Tropez, wenn die Radfahrer reihenweise in die Schienen schwanken?“ Bau-Sprecher Jürgens erklärt: „Weiter oben auf der Straße stehen Häuser so weit vor, dass man den Radweg doch wieder auf die Straße führen müsste. Eine Bombenlösung gibt es nicht.“

Offenbar hat Jürgens noch nie mit Volker Reichel vom ADFC gesprochen. Der wüsste nämlich eine. „In Dänemark wird Gummi in die Schienenstränge gelegt.“ So entstehe eine glatte Unterfläche für die Radfahrer und viele Unfälle würden vermieden. „In Bremen nicht möglich,“ sagt die BSAG dazu. Der Verschleiß wäre zu hoch, weil alle drei Minuten Bahnen durchfahren, außerdem könnten die vielen Weichen nicht mit Gummi ausgestattet werden. So werden Anlieger auch in Zukunft den Erste-Hilfe-Kasten bereithalten.

D. Ahlemeyer