Viagra aus dem Kleidercontainer

Ein Mann hat gefundene Viagrapackungen im Internet versteigert. Nun muss er 1.000 Euro Strafe zahlen

Mit seinen eigenen sexuellen Leistungen war Martin S. zufrieden, seine Freundin schwieg

Der entspannte Umgang mit Potenzmitteln fällt vielen Männern in diesem Land noch schwer. Für einen Arztbesuch sind sie zu schüchtern. Die Aussicht, die Einzelheiten eines deprimierenden Sexuallebens vor einem Mediziner ausbreiten zu müssen, ist wenig ermutigend. Viele Männer empfinden dies nicht zuletzt als demütigendes Eingeständnis einer privaten Katastrophensituation. Allerdings ist das marktbeherschende Potenzmittel Viagra ohne ein ärztliches Rezept nicht in Apotheken erhältlich. Ein Problem, das Martin S. einfiel, als er im April vergangenen Jahres im Kleidercontainer die Jacke mit den Tabletten fand.

Es ist nicht so, dass Martin S. sich gut mit Potenzmitteln auskennt. Der 32-Jährige ist Gerüstbauer von Beruf. Seit zwei Jahren lebt er von Arbeitslosenhilfe. Jeden Monat zahlt er einen kleinen Betrag von den Schulden ab, die er sich mithilfe eines Körperverletzungsdelikts und einer Sachbeschädigung zugelegt hat. Seine Freundin arbeitet als Hausmeisterin. S. hilft ihr, den Hof der Wohnanlage sauber zu halten. Er kümmert sich um die Mülltonnen und den überfüllten Kleidercontainer.

Mit seinen eigenen sexuellen Leistungen ist Martin S. zufrieden, die Freundin hat nichts gesagt. Als S. an jenem Nachmittag die Schachtel mit den Viagra-Tabletten entdeckte, dachte er daher nicht daran, die Pillen für sich selbst zu verwenden. Stattdessen ging S. in die Wohnung, setzte sich an seinen Computer und platzierte die Tabletten als Angebot im Internetauktionshaus eBay. Eine leise Vermutung ging ihm durch den Kopf, der Verdacht, dass er sich eventuell gerade strafbar mache. Martin S. entschied sich daher für einen Kompromiss: Er gab an, die Viagra-Packung sei leer.

Tatsächlich fanden sich trotzdem bald Interessenten. 1 Euro hatte das Anfangsgebot betragen. Später wurde Martin S. die Packung mit den drei Tabletten für 45,50 Euro los. Es war kein großartiges Geschäft. „Es tut mir Leid, und ich werde es nie wieder tun“, sagt S. jetzt, wo er vor dem Richter sitzt.

Eine Fahndungsgruppe des Bundeskriminalamts war auf die Transaktion aufmerksam geworden. S. wurde verhaftet, die Wohnung durchsucht, die Freundin verhört. Eine Aufregung, die bei Beginn der Ermittlungen geboten schien. Hatten die Fahnder anfangs gehofft, den Chef eines weltweit operierenden Anabolikavertriebs dingfest zu machen, standen sie am Ende indes nur einem arbeitslosen Gelegenheitskriminellen gegenüber. Einem Gerüstbauer mit farbigen Tätowierungen auf dem Arm. Einem Angeklagten ohne nennenswerte Einkünfte, der nun mit traurigen braunen Augen in einem blauem Pullover vor dem Richter sitzt.

Seinen Computer verspricht S. abzugeben, damit so etwas nie wieder vorkommt: „Ich will mich hier gar nicht streiten, es war mein Fehler.“ S. sitzt ganz allein da, das ist sein Geständnis. Die Kosten für einen Anwalt hat er sich gespart.

Es bleibt das Vergehen, der Staatsanwalt erinnert an die „Gefährlichkeit des Medikaments“. Auch der Richter findet: „Die Beweislage ist erdrückend.“ Er verurteilt S. zu einer Strafe von 1.000 Euro. Die Tabletten konnten nicht mehr sichergestellt werden. KIRSTEN KÜPPERS