Scharon droht Arafat

Israels Regierungschef: Das Versprechen gegenüber den USA gilt nicht mehr. Palästinenserchef gibt sich gelassen

JERUSALEM taz ■ Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat Palästinenserpräsident Jassir Arafat neuerlich gedroht, ihn töten zu lassen. In einem gestern im israelischen Militärfunk veröffentlichten Interview sagte er, das Versprechen gegenüber den USA, Arafat körperlich unversehrt zu lassen, sei nicht mehr bindend. Seit Jahrzehnten sei Arafat verantwortlich für den Mord an Juden. Nun, da die USA und andere eingesehen hätten, wer Arafat wirklich sei, gebe es für ihn keine Lebensversicherung mehr, sagte der Regierungschef weiter.

Bereits im September vergangenen Jahres hatte das israelische Kabinett grundsätzlich beschlossen, sich Arafats „entledigen“ zu wollen. Die USA und Israel sehen Arafat als Haupthindernis für Fortschritte beim Friedensprozess. Trotzdem lehnt die amerikanische Regierung eine gezielte Tötung des Palästinenserpräsidenten, wie bei Scheich Achmed Jassin am 22. März, ab. Der stellvertretende US-Außenminister Richard Armitage betonte: „Wir haben dies der israelischen Regierung gegenüber auch klar zum Ausdruck gebracht.“

Scharon verteidigt seine Pläne im israelischen Hörfunk weiter: „Jedes Land, das sich selbst respektiert und mit Mördern konfrontiert wird, muss sich selbst verteidigen. So tun es auch die Vereinigten Staaten.“

Ferner heißt es in dem Interview, auch der Anführer der libanesischen Hisbollah-Miliz, Scheich Hassan Nassrallah, solle getötet werden. Der Regierungschef machte klar, dass er niemanden, weder die USA noch irgendjemand anders, um Erlaubnis fragen werde, Arafat oder Nasrallah zu töten.

Palästinenserpräsident Arafat sagte gegenüber der palästinensischen Presseagentur Wafa: „Um mich mache ich mir keine Sorgen.“ Er sorge sich nur um das palästinensische Volk und die heiligen christlichen und muslimischen Stätten. Weiter sagte er, dass Israel seit Jahren versuche, heilige muslimische Orte zu zerstören und das palästinensische Volk zu unterdrücken. Außerdem lehne Scharon einen palästinensischen Staat ab.

Unterdessen erklärte Scharon gegenüber der israelischen Tageszeitung Maariv, er werde alle 21 Siedlungen im Gaza-Streifen schließen und sich gänzlich zurückziehen. Zuvor war immer nur von 17 Siedlungen die Rede. Eine Opposition innerhalb des israelischen Kabinetts werde er nicht dulden. VOLKMAR KABISCH