Richter äußert Unverständnis

Im Prozess um die Tötung der 16-jährigen Morsal O. verweigert der Cousin die Aussage. Er hatte das Treffen zwischen dem Teenager und dem Bruder arrangiert. Richter bemängelt, dass kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde

Im Prozess um den so genannten „Ehrenmord“ an der 16-jährigen Deutsch-Afghanin Morsal O. vor dem Landgericht hat der Tatzeuge Mohammed A. die Aussage verweigert. Der Cousin des wegen Mordes angeklagten Ahmad O. hatte an dem Tatabend das Treffen mit Morsal am Berliner Tor arrangiert, nachdem sie Zuflucht im Mädchenasyl Feuerbergstraße gesucht hatte.

Richter Wolfgang Backen räumte Mohammed A. am Freitag das Recht zur Aussageverweigerung ein, da sich der 17-Jährige selbst belasten könnte. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich der Cousin nicht einer Beihilfe zu einem Tötungsdelikt oder zumindest der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht habe. A. hatte mit Ahmad O. den Tatort verlassen, nachdem Ahmad seine Schwester mit 23 Messerstichen getötet hatte.

Laut einer Augenzeugin hatte Ahmad O. nach den ersten Messerstichen die flüchtende Morsal verfolgt, an den Haaren zu Boden gerissen, bevor er ihr die tödlichen Messerstiche zubrachte. Backen äußerte daher sein Unverständnis, dass die Staatsanwaltschaft bis heute kein Ermittlungsverfahren gegen den Cousin eingeleitet habe. „Wenn man die Akte liest“, so Backen, „drängt sich das förmlich auf.“ Die Anklagebehörde geht davon aus, dass Mohammad A. selbst von dem Messerangriff des Cousins auf Morsal überrascht gewesen sei. Schließlich sei er unverzüglich nach der Tat zur Polizei gegangen, nachdem er wieder einen klaren Kopf gehabt habe, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers.

Die Geliebte des Angeklagten – dessen Ehefrau in Afghanistan lebt – versuchte ein positives Bild von O. zu zeichnen: „Er hat seine Schwester geliebt“, sagte die 20-Jährige. Am Tattag habe ihm eine Bekannte erzählt, dass Morsal als Prostituierte arbeiten wolle. Sie vermutet, dass er deshalb wütend geworden sei. „Es ging nicht um Kleidung, dass ist albern“, sagte die Studentin, der der Angeklagte nach der Tat vom Messerangriff erzählt hatte: „Er war völlig verstört.“ Richter Backen meldete Zweifel an. „Ich kann nicht glauben, dass die Tat ein Liebesakt war.“

MAGDA SCHNEIDER