Am Himmel entsteht ein neuer Riese

Seit gestern läuft das Übernahmeangebot von Air France an die Aktionäre von KLM. Damit entsteht die weltweit umsatzstärkste Airline und die Nummer zwei im Frachtgeschäft. Experten sehen die Chancen des neuen Giganten kritisch

Bei den Airlinesstehen weitereFusionenund Insolvenzen an

VON STEPHAN KOSCH

In der Luftfahrtbranche soll ein neuer Gigant entstehen. Seit gestern können die Aktionäre der niederländischen Fluggesellschaft KLM ein Übernahmeangebot der Air France annehmen. Sollte die Mehrheit der Aktionäre dies tun, wovon die meisten Experten ausgehen, entsteht die umsatzstärkste Fluggesellschaft der Welt. Zudem würde Air France durch KLM zum zweitgrößten Frachtflieger hinter dem US-Konzern FedEx aufsteigen. Experten sind aber skeptisch, ob Air France mit dieser Strategie tatsächlich den Herausforderungen der Branche begegnen kann.

„Größe ist nicht unbedingt ein Erfolgskriterium“, sagt Christian Götz, Luftfahrtexperte und Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg, im Gespräch mit der taz. Er sieht nur wenig Überschneidungen zwischen AirFrance und KLM, sodass die kostensparenden Synergieeffekte eher gering ausfallen dürften.

Außerdem bemängelt Götz die komplizierte Struktur des neuen Unternehmens. Denn beide Fluglinien sollen mit einer gemeinsamen Strategie unter einer Holding bestehen bleiben. Diese wird dann zwar die vollständige Kontrolle über die Air France ausüben, besitzt aber für eine Übergangszeit von drei Jahren nur 49 Prozent der Stimmen an der KLM. Der niederländische Staat behält zunächst 14,7 Prozent, zwei niederländische Stiftungen 36,6 Prozent. „Das birgt die Gefahr künftiger Meinungsverschiedenheiten“, sagt Götz.

Das Modell ist dem gegenwärtigen Rechtsrahmen geschuldet, sagt Ulrich Horstmann von der Bayern LB. Die Start- und Landerechte der fliegenden Holländer sind an Nationalitätsklauseln gebunden. Daher ist diese Konstruktion ein „gangbarer Weg“, der auch unter Auflagen von der EU genehmigt wurde. Der Experte hält hingegen den Preis, den Air France bezahlt, für zu hoch. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots habe der Preis um 20 bis 30 Prozent über dem Marktwert gelegen. KLM wird in dem Angebot mit rund 780 Millionen Euro bewertet. Dies sei zu viel, denn auch Horstmann meint, dass die Synergien geringer ausfallen als vielfach erwartet. Außerdem bedürfe jede Fusion zumindest in den ersten Jahren viel Energie für die Zusammenführung unterschiedlicher Unternehmenskulturen.

Doch auch nach Abschluss der Fusion will der Riese weiter wachsen. Denn die italienische Alitalia soll nach den Vorstellungen der Air France in rund eineinhalb Jahren ebenfalls dazustoßen. Dies birgt aber gewaltige Risiken, denn die Alitalia gilt als schwieriger Sanierungsfall. „Das ist ein Fass ohne Boden“, raunt ein Experte. Weniger problematisch wird ein möglicher Zusammenschluss mit der tschechischen CSA gesehen, die Air France mittelfristig anstrebt.

Mit der Übernahme von KLM versucht Air France seine Position zu stärken. Denn bei den Airlines stehen in der Zukunft weitere Fusionen und Insolvenzen an. Vor allem mit Blick auf die Lufthansa und die British Airways und ihren jeweiligen Bündnissen mit anderen Fluggesellschaften wollen sich die Franzosen verbessern. So wächst das Luftfahrtbündnis SkyTeam um die Air France durch die Fusion deutlich an und würde das Bündnis Star Alliance um die Lufthansa in Nordamerika, Nordatlantik und Europa überholen. Weltweit bleibt die StarAlliance aber vorn.

Einig sind sich Luftfahrtexperten darin, dass die Lufthansa zunächst nicht extra unter Druck gesetzt wird. Das Unternehmen sei durch die Kooperation in der Star Alliance gut aufgestellt. Außerdem böten sich vor dem Hintergrund der Konsolidierung in der Branche in naher Zukunft gewiss noch Möglichkeiten für die Lufthansa, die eine oder andere Airline zu kaufen.

Air France hat im vergangenen Geschäftsjahr 2002/2003 einen Umsatz von 12,6 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 120 Millionen Euro erzielt. Dieser dürfte nach Branchenschätzungen im laufenden Jahr deutlich geringer ausfallen. KLM rechnet nach zwei Jahren Verlust mit einer Rückkehr in die Gewinnzone beim Kerngeschäft. Unterm Strich dürfte aber noch ein leichter Verlust entstehen.